Mesopotamisches Kulturzentrum in Istanbul wird geräumt

Das Mesopotamische Kulturzentrum in Istanbul soll heute geräumt und der AKP-regierten Bezirksverwaltung von Beyoğlu übergeben werden. Das Kulturzentrum kündigt rechtliche Schritte an.

Das Mesopotamische Kulturzentrum (Navenda Çanda Mezopotamya, NÇM) im zentralen Istanbuler Stadtteil Beyoğlu soll geräumt werden. Das seit 18 Jahren als Kulturzentrum genutzte Gebäude wird unter rechtlich fragwürdigen Umständen der AKP-regierten Bezirksverwaltung übergeben.

Im vergangenen Jahr fand drei Mal eine öffentliche Ausschreibung für die Räumlichkeiten statt. Der NÇM-Vorstand bewarb sich und erhielt zwei Mal den Zuschlag. Beide Male wurde die Ausschreibung von der zuständigen Stiftungsbehörde mit der Begründung annulliert, dass es nicht genug Bewerbungen gegeben habe. Wie Ferit Elalmış als Mitarbeiter des Kulturzentrums mitteilt, ging die letzte Runde verloren.

Vor vier Monaten wurde der Vorstand zur Räumung des Gebäudes aufgefordert. Dagegen wurde Einspruch eingelegt. Die Stiftungsbehörde hat für heute eine Zwangsräumung angekündigt. Ferit Elalmış sieht darin politische Gründe: „Die Bezirksverwaltung von Beyoğlu will das Gebäude haben. Es ist dem Landratsamt überschrieben worden. Das Amt will eine sofortige Räumung, um es der Bezirksverwaltung zur Verfügung zu stellen.“

Das NÇM hat einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 49 Jahren und will jetzt juristisch gegen den Räumungsbeschluss vorgehen. „Wir holen jetzt erstmal unser Archiv und weitere notwendige Gegenstände aus dem Gebäude, aber wir werden vor Gericht ziehen und dagegen klagen“, erklärt Elalmış.

Die Geschichte des Mesopotamischen Kulturzentrums

Das Mesopotamische Kulturzentrum wurde 1991 in Istanbul gegründet. Bekanntester Mitbegründer war der kurdische Schriftsteller Musa Anter, der 1992 vom türkischen Staat ermordet wurde. Das Kulturzentrum leistete in den Bereichen Musik, Theater, Tanz, Film und Literatur wertvolle Beiträge gegen die Assimilierung und Ignoranz, der die kurdische Kultur in der Türkei ausgesetzt ist. Nach Istanbul wurden Zweigstellen in mehreren kurdischen Städten gegründet, die inzwischen alle durch das Erdoğan-Regime geschlossen worden sind.