Lisa Çalan erhält „Spirit of Cinema Award“ in Kerala

Die kurdische Filmemacherin Lisa Çalan ist beim Internationalen Filmfestival von Kerala (IFFK) in Indien für ihr Werk „Die Sprache der Berge“ mit dem „Spirit of Cinema Award“ ausgezeichnet worden.

Die kurdische Bühnenbildnerin und Filmemacherin Lisa Çalan ist beim 26. Internationalen Filmfestival von Kerala (IFFK) in Indien für ihr Werk Zimanê Çîya, („Die Sprache der Berge“) mit dem „Spirit of Cinema Award“ ausgezeichnet worden. Den Preis erhielt die Künstlerin von Pinarayi Vijayan, dem Regierungschef des Bundesstaates Kerala im Südwesten Indiens. Der linke Politiker würdigte Çalan bei der Verleihung dafür, dass sie das Medium Kino für „sozialen Wandel“ nutze, um gegen Unterdrückung und Autoritarismus zu kämpfen. Mit diesem erstmals verliehenen Award solle auch das Engagement des Festivals für die Gleichstellung und Förderung von Frauen und der Kampf gegen Frauenfeindlichkeit beim indischen Kino gewürdigt werden, so Vijayan.

„Wir kurdischen Frauen sind gegen das Patriarchat und jede Art von geschlechtsspezifischer Gewalt. Das Kino ist ein revolutionäres Ausdrucksmedium. Es sollte provokativ sein“, zeigte sich Lisa Çalan nach einer Danksagung, in der sie Rosa Luxemburg, Simone de Beauvoir und Karl Marx als ihre Inspirationsquellen nannte, gewohnt kämpferisch. „Ich habe nie aufgehört, mich dem System zu widersetzen. Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, um diesen Preis entgegenzunehmen. Auch meine Geschichte ist lang.“

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Lisa Çalan wurde 1987 in Amed (tr. Diyarbakır) als Tochter einer Familie mit zehn Kindern geboren. Ihre Kindheit war geprägt von der staatlichen Unterdrückung der kurdischen Gesellschaft in der Türkei. Nach dem Abitur weigerte sie sich, eine türkische Universität zu besuchen, weil sie ihre Ausbildung in ihrer Muttersprache Kurdisch einforderte. Stattdessen studierte sie Film an dem 2010 von der damaligen Stadtverwaltung Ameds gegründeten „Aram-Tigran-Konservatorium“. Die Einrichtung konnte sich nur sechs Jahre behaupten. Mit dem ersten „Schlag gegen die kurdische Kommunalpolitik“ wurde das Konservatorium 2016 von der Zwangsverwaltung geschlossen.

Während der zwei Jahre, die sie am Konservatorium verbrachte, kam Lisa Çalan den Geschichten Kurdistans näher und ihre Perspektive verschob sich auf den Kampf der kurdischen Frauen. Sie ließ sich von den Dörfern und Städten, die sie besuchte, inspirieren und begann, an politischen Dokumentarfilmen über Kriegsereignisse und die Zwangsvertreibung der kurdischen Bevölkerung mitzuwirken. Später arbeitete sie bei der Film-Akademie Amed und nahm mit den dort entstandenen Projekten an diversen Festivals teil.

Bei IS-Anschlag beide Beine verloren

Am 5. Juni 2015, nur zwei Tage vor den Parlamentswahlen in der Türkei, explodierte in Amed auf dem Bahnhofsplatz Istasyon inmitten einer Großkundgebung der HDP eine Bombe eines Attentäters einer polizeibekannten Zelle der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Die Kundgebung hatte genau wie der Wahlkampf der HDP unter dem Motto „Für die große Menschheit“ gestanden – eine Maxime, die die Vielfalt der Gesellschaft der Türkei reflektiert. Fünf Menschen – Ramazan Yıldız, Necati Kurul, Şehmuz Kaçan, Civan Arslan und Ali Türkmen starben bei dem Sprengstoffanschlag, hunderte weitere Personen wurden verletzt, sechzehn von ihnen schwer. Lisa Çalan war eine von ihnen. Sie verlor bei dem Anschlag beide Beine.

Ich habe es überlebt

„Ich habe es überlebt, musste meine Filmprojekte aber für einige Jahre unterbrechen“, sagte Çalan im weiteren Verlauf ihrer Rede auf dem Kerala-Festival. „Aber jetzt bin ich wieder vollständig genesen und voller Energie.“ Während des Rehabilitationsprozesses begann Çalan sich auch wieder intensiver als Aktivistin zu engagieren und sich verstärkt für Frauenbefreiung sowie die Opfer von IS-Verbrechen einzusetzen. Ihr Film Zimanê Çîya behandelt sie die Themen Assimilierung, das Verbot der kurdischen Sprache in der Türkei und die vielfältigen Repressalien des türkischen Staates gegen die Kurdinnen und Kurden. Den kurdischen Frauen im Kampf gegen den IS sprach Lisa Çalan ihren besonderen Dank aus.