Leyla Imret mit Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet

Mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille zeichnet die Internationale Liga für Menschenrechte Zivilcourage und außergewöhnliches Engagement aus. Die kurdische Politikerin Leyla Imret widmete die Ehrung den Gefallenen von Cizîr.

Die kurdische Politikerin Leyla Imret und der Diplom-Sozialarbeiter Ottmar Miles-Paul sind mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte ausgezeichnet worden. Beide wurden für ihre Zivilcourage und ihren Einsatz bei der Verwirklichung der Menschenrechte geehrt.

Mit ihrem herausragenden Engagement setzen sich beide Ausgezeichneten mit allem Nachdruck für die Rechte benachteiligter Menschen ein und lenken den Blick der Öffentlichkeit auf die soziale und politische Ausgrenzung von Menschen“, teilte die Internationale Liga für Menschenrechte mit. Die festliche Preisverleihung fand heute im Berliner Grips Theater statt, und wurde mit Redebeiträgen des Hamburger Völkerrechtsexperten Prof. Norman Paech und Karl Finke eingeleitet. Finke ist ehemaliger Behindertenbeauftragter des Landes Niedersachsen und Präsidenten des Behindertensportverbandes Niedersachsen.

Die Internationale Liga für Menschenrechte begründete die Auszeichnung Leyla Imrets wie folgt:

„Leyla Imret wurde 1987 in der kurdischen Stadt Cizre im syrisch-irakischen Grenzgebiet der Türkei geboren. Sie war vier Jahre alt, als ihr Vater in den militärischen Auseinandersetzungen der Kurden mit türkischen Sicherheitskräften ums Leben kam. Noch als Kind wurde sie sicherheitshalber zu Verwandten nach Deutschland in die Nähe von Bremen geschickt, verbrachte dort Kindheit, Jugend und Schulzeit und schloss ihre Berufsausbildung zur Friseurin ab. Erst nach 13 Jahren sah sie ihre Mutter und ihre Geschwister in der Türkei wieder. 2013 entschloss sie sich, endgültig in die Türkei zurückzukehren.

Für die kurdische BDP (dt.: Partei des Friedens und der Demokratie), die mit der HDP (dt.: Demokratische Partei der Völker) Wahlbündnisse eingegangen war, kandidierte sie 2014 für das Bürgermeisteramt ihrer Heimatstadt Cizre. Sie wurde mit 83 Prozent gewählt. In ihrem Amt setzte sie sich mit aller Kraft für Wiederaufbau, Gleichberechtigung und menschenwürdige Bedingungen in der unter den Kriegsfolgen leidenden Stadt ein. Nach den Parlamentswahlen 2015 und dem Wiederaufflammen des türkisch-kurdischen Konfliktes verhängte die türkische Regierung Ausgangssperren über mehrere Städte in der Region. Auch in Cizre. Gegen Leyla Imret wurde ein Verfahren wegen „Aufwiegelung des Volkes zum bewaffneten Aufstand gegen den Staat“ und „Propaganda für eine Terrororganisation“ eröffnet. Nach ihrer Amtsenthebung durch das Innenministerium, gegen die sie Klage erhoben hat, und nach wiederholten Verhaftungen sah sie sich gezwungen, zurück nach Deutschland zu flüchten.

Ungeachtet ihrer persönlichen Gefahrenlage, in der sie sich wegen ihres mutigen Engagements auch außerhalb der Türkei befindet, sagt sie 2018 als sachverständige Zeugin vor dem Internationalen Tribunal der Völker in Paris zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen des türkischen Staates in ihrer Stadt aus. Aus dem Exil kämpft sie weiterhin unerschrocken für ihre Rückkehr in das Bürgermeisteramt, in das sie demokratisch gewählt wurde, und setzt sich weiterhin couragiert für die Menschenrechte in der Türkei sowie für eine friedliche und gerechte Lösung der kurdischen Frage ein.”

Paech: Isolation von Öcalan aufheben

Norman Paech wies in seiner Rede auf den Krieg der türkischen Erdogan-Regierung gegen die kurdische Bevölkerung hin. Der Völkerrechtler betonte, dass der türkische Staat in Cizîr Kriegsverbrechen begangen habe und wies auch auf die andauernde Isolationshaft des PKK-Gründers Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali hin. Paech fordert die Aufhebung der Isolation und die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen der türkischen Regierung und der PKK, um die kurdische Frage auf politischer Grundlage zu lösen.

Imret: Ich widme die Ehrung den Gefallenen von Cizîr

Im ANF-Gespräch erklärte Leyla Imret, die Auszeichnung den Gefallenen der kurdischen Freiheitsbewegung zu widmen, insbesondere den Menschen, die bei der Verteidigung von Cizîr während der Militärbelagerung 2015-2016 von türkischen Sicherheitskräften getötet wurden. Zudem widme sie die Carl-von-Ossietzky-Medaille auch der im Gefängnis von Amed (Diyarbakir) inhaftierten HDP-Abgeordneten Leyla Güven, die am 7. November in einen unbefristeten Hungerstreik getreten ist, und mit ihrer Aktion die Aufhebung der Isolation Öcalans fordert. „Wenn wir heute solche Auszeichnungen erhalten, ist dies dem Kampf von Öcalan zu verdanken“, sagte Leyla Imret.

Die Veranstaltung ging mit einem Konzert des kurdischen Musikers Adir Jan zu Ende.