Der Großvater der Schwestern Nûrşîn und Perwîn Salih floh 1915 aus Wan (Van) in Nordkurdistan nach Rojava, um sich nicht am armenischen Genozid mitschuldig zu machen. Fast genau 100 Jahre später flohen seine Enkeltöchter aus Kobanê in die umgekehrte Richtung, um den mordenden Banden des „Islamischen Staats“ (IS) zu entgehen. Perwîn berichtet zu ihrer Ankunft in Wan: „Da hier eigentlich unsere Wurzeln lagen, haben wir uns in Wan von Anfang an zu Hause gefühlt.“
In Wan begannen sich die beiden Schwestern 2014 bereits im Kindesalter im Mesopotamischen Kulturzentrum (Navenda Çanda Mezopotamya, NÇM) zu engagieren und sich musikalisch zu bilden. Um die Ausbildung weiter zu vertiefen, reisen sie weiter nach Amed (Diyarbakır).
Nûrşîn Salih
Nûrşîn lernte in Amed an dem nach dem armenischen Musiker, Sohn eines Genozid-Überlebenden und Unterstützer der kurdischen Freiheitsbewegung Aram Tigran benannten Konservatorium Geige zu spielen, Perwîn begann eine Ausbildung an der Santur. Nûrşîn erzählt über die Zeit: „Die Bedingungen dort waren wirklich gut. Wir hatten Lehrer aus allen vier Teilen Kurdistans.“ Mit der Ernennung eines staatlichen Zwangsverwalters über Amed im Jahr 2016 wurde das Aram-Tigran-Konservatorium geschlossen. „Danach haben wir als Schüler und Lehrer unsere Arbeit mit unseren eigenen Mitteln fortgesetzt“, ergänzt Nûrşîn.
Ihre Schwester Perwîn erinnert sich an ihre Anfänge in Amed: „Ganz am Anfang haben die Lehrer uns die verschiedenen Instrumente vorgestellt. Als ich die Santur sah war es so, als hätte ich etwas gefunden, was ich schon lange gesucht hatte. Ich hatte eine wunderbare Ausbildung in Amed.“
Perwîn Salih
Vor einem Monat sind die beiden nach Kobanê zurückgekehrt und geben nun am Kunst-und Kulturzentrum Baqî Xido, dem Ort wo sie das erste Mal bewusst mit Musik in Berührung kamen, Unterricht. In unserem Gespräch machten Nûrşîn und Perwîn klar, dass sie sich als Teil einer kulturellen Revolution sehen. Nûrşîn erklärte zu ihrer Arbeit in Kobanê: „Unser Ziel ist es, das, was wir gelernt haben, an die Kinder in Kobanê weiterzugeben.“ Perwîn ergänzt: „Da wir im Moment Probleme haben, an Instrumente zu kommen, haben wir mit theoretischem Unterricht angefangen. Sobald wir Instrumente erhalten, wird alles noch viel schöner werden, denke ich.“
Nûrşîn und Perwîn spielen Stücke aus allen vier Teilen Kurdistans. Sie wollen aber auch eine Synthese östlicher und westlicher Musik herstellen.