Iran: IRGC warnt Demonstrierende vor weiteren Protesten

Seit Wochen protestieren Menschen in Iran gegen das Regime. Damit solle nun Schluss sein, verlangt der Kommandeur der Revolutionsgarden – und spricht eine deutliche Warnung aus: „Heute ist der letzte Tag der Unruhen. Kommt nicht mehr auf die Straßen.“

Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), Hussein Salami, hat ein Ende des seit mehr als 40 Tagen andauernden Volksaufstands verlangt. „Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren“, warnte der General am Samstag nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. „Wir sagen es unseren Jugendlichen noch einmal: Heute ist der letzte Tag der Unruhen. Kommt nicht mehr auf die Straßen.“ Niemand werde den Demonstranten erlauben, weiter Unsicherheit zu stiften und die Universitäten des Landes in ein „Schlachtfeld“ zu verwandeln.

Verschwörung der USA, Großbritanniens, Saudi-Arabiens und Israels“

Salami bezeichnete die Unruhen seit Mitte September in einer Rede als „Verschwörung der USA, Großbritanniens, Saudi-Arabiens und des zionistischen Regimes“, also Israels, weil diese Länder in den vergangenen Jahren durch den Iran politische Niederlagen erlitten hätten. Die Jugend solle sich davon nicht beeinflussen lassen. „Werdet nicht Schachfiguren der Feinde des Landes“, sagte der IRGC-Kommandant. Zugleich bot er den Demonstrierenden an: „Der Weg zurück ist für euch noch offen.“

Revolutionärer Aufbruch für den Systemwechsel

Die Rede Salamis wird als Mahnung gewertet, die Proteste umgehend zu beenden – obwohl unwahrscheinlich ist, dass dies Erfolg hat. Die Besonderheit des derzeitigen revolutionären Aufbruchs, der seit Wochen das Land überzieht, ist, dass der Aufstand alle Ethnien, Geschlechter, Klassen und gesellschaftliche Schichten vereint. Sie alle wollen eines: die Zerschlagung des Regimes und den Systemwechsel. Am Freitag hatten Grenztrupps der Revolutionsgarde im Grenzgebiet zur Kurdistan-Region Irak das Feuer auf eine Gruppe Zivilisten aus Şarbajêr eröffnet. Ein 33-Jähriger wurde getötet, zwei weitere Männer im Alter von 54 und 37 Jahren sind verletzt worden. Sie wollten mit weiteren Personen aus ihrem Dorf nördlich von Silêmanî nach Ostkurdistan, um an der Beerdigung eines Demonstranten aus Bane teilzunehmen.

Hengaw meldet Angriffe auf Schülerinnen und Studierende

Die Menschenrechtsgruppe Hengaw berichtete derweil, dass iranische Regimekräfte am Samstag das Feuer an einer Mädchenschule in der Stadt Seqiz (Saqqez) eröffnet haben, eine 16-jährige Schülerin wurde offenbar verschleppt. Nach Angaben der Organisation ist auch auf Studierende an der Medizinischen Hochschule in Sine (Sanandadsch) geschossen worden. Mehrere Menschen wurden demnach verletzt, ein Student sei tot, berichtete Hengaw. Seit Mittwoch meldete die Gruppe zahlreiche Todesfälle in Rojhilat. In Mahabad wurden in den letzten Tagen mindestens sieben Menschen getötet: Kubra Sheikh Saqa, Zanyar Abubakri, Shaho Khazri, Chom Majid Khan, Fereshte Ahmadi sowie zwei bislang nicht identifizierte Personen. Die 32-jährige Fereshte Ahmadi hielt sich laut Zeug:innen auf der Dachterrasse ihres Hauses auf, als sie von einer Kugel der Revolutionsgarde in die Brust getroffen wurde. In Sine wurden der 18-jährige Keyvan Darvishi und die beiden 21 Jahre alten Mohammad Lotfolahi und Mohammad Shariati erschossen, die 16-jährige Sarina Saedi starb an den Folgen massiver Schläge auf den Kopf. In Bane wurden Faraidun Faraji und Mutalib Saeid Piro von Regimekräften erschossen. Hengaw befürchtet allerdings, dass die Zahl der Todesopfer der vergangenen Tage noch höher ist.

Auslöser der Freiheitsbewegung: Tod von Jina „Mahsa“ Amini

Die Proteste gegen den herrschenden Klerus Irans hatten sich am Tod der 22 Jahre alten Kurdin Jina „Mahsa“ entzündet. Die Sittenpolizei hatte sie am 13. September in Teheran festgenommen, weil sie gegen islamische Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Drei Tage nach ihrer Festnahme wurde sie für tot erklärt. Sie starb an den Folgen von massiver Gewalt. Seither demonstrieren landesweit Zehntausende täglich für ein Ende des islamistischen Regimes.