Bereits seit Monaten hat die privatisierte Zuckerfabrik Haft Tapeh in der Stadt Shush in der Provinz Khuzestan keine Löhne mehr ausgezahlt – und das nicht zum ersten Mal. Seit der Privatisierung im Jahr 2014 hat sich die Situation der über 4.000 Arbeiter*innen akut verschlechtert. Immer wieder kommt es zu Massenstreiks, wodurch die Produktion der Fabrik, die einst vom Schah von Persien gegründet wurde, zum Erliegen gebracht wird.
An der aktuellen Protestwelle, die bereits seit 15 Tagen anhält, beteiligen sich auch Angehörige der Fabrikarbeiter und Einheimische, um sich mit den Streikenden zu solidarisieren. Am Wochenende griffen Sicherheitskräfte eine Menschenmenge an, nachdem es vor dem Gebäude des Gouverneurssitzes zu lautstarken Protesten kam. Gouverneur Gholam-Resa Schariati bestätigte am Samstag gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA, dass die Polizei mindestens vier Personen abgeführt habe, darunter zwei Vertreter der Belegschaft der Fabrik, Esmaeil Bakhshi und Mosslim Arman, sowie eine Journalistin. Am Sonntag sei es erneut zu einer Festnahmewelle gekommen, in deren Folge 19 Fabrikarbeiter in Gewahrsam genommen wurden. Noch am Abend forderten die Streikenden die Behörden auf, die Festgenommenen wieder freizulassen und protestierten unter Parolen wie: „Die Arbeiter sind eher bereit zu sterben als sich erniedrigen zu lassen“.
Die Arbeiter der Zuckerfabrik Haft Tapeh protestieren nicht nur gegen die Nichtzahlung ihrer seit Monaten ausstehenden Löhne. Bei den Versammlungen wurden auch politische Forderungen und Vorwürfe an die Regierung in Teheran laut. So fordern die Arbeiter die Aufhebung des Privateigentums und eine Übernahme durch die Belegschaft. Die einst gewinnbringende Fabrik war vor vier Jahren unter fragwürdigen Umständen privatisiert worden, der jetzige Eigentümer soll nach Angaben der Behörden auf der Flucht sein, weil er Kreditraten in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar nicht zurückgezahlt habe.
Die Vereinigten Staaten haben Anfang November kritische Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verhängt, die auf den Öl-, Transport- und Finanzsektor abzielen. Das Regime befürchtet, dass die neuen US-Sanktionen die Proteste des vergangenen Winters erneut aufflammen lassen werden. Die landesweiten Proteste begannen Ende 2017 aufgrund wirtschaftlicher Probleme und politischen Forderungen in Maschhad, breiteten sich jedoch in kürzester Zeit auf alle Landesteile aus. Die Proteste mit zehntausenden Teilnehmern gelten als die größten seit den Demonstrationen der Grünen Bewegung nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009.