Feminizid in Amed: 37-Jährige von Ehemann ermordet

Die 37-jährige Dilan Aslan ist in Amed von ihrem Ehemann ermordet worden. Der Täter stellte sich kurz nach der Tat selbst bei der Polizei.

Gewalt gegen Frauen

In der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) ist ein Feminizid verübt worden. Die 37-jährige Dilan Aslan wurde in ihrem Zuhause im Stadtteil Rezan (Bağlar) von ihrem Ehemann ermordet. Der Täter stellte sich kurz nach der Tat selbst bei der Polizei. Während die Ermittlungen gegen ihn noch laufen, wurde der Leichnam der Frau zur Obduktion in das gerichtsmedizinische Institut überführt.

Der Mord an Dilan Aslan reiht sich ein in eine lange Liste geschlechtsspezifischer Tötungen in der Türkei. Allein im Jahr 2024 wurden laut der Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“ (Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu) über 390 Frauen von Männern ermordet. Die meisten Täter stammen aus dem direkten Umfeld der Opfer: (Ex-)Partner, Familienangehörige oder Ehemänner. Die Dunkelziffer der tatsächlichen Feminizide dürfte deutlich höher liegen, da mehr als 250 weitere Frauen auf verdächtige Weise tot aufgefunden wurden.

Systematische Gewalt gegen Frauen

Der Fall von Dilan Aslan ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer strukturellen und tief verankerten patriarchalen Gewalt. Frauenorganisationen und Menschenrechtsaktivist:innen kritisieren seit Jahren die mangelnde staatliche Bereitschaft, Frauen vor Gewalt zu schützen. Häufig bleiben Anzeigen folgenlos, Schutzanordnungen werden ignoriert, und Täter können mit milden Urteilen oder Straffreiheit rechnen.

Besonders drastisch war der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention im Jahr 2021 – ein internationales Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Die Konvention hat zum Ziel, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, Opfer zu schützen und Täter konsequent zu verfolgen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan begründete den Austritt unter anderem mit dem Schutz traditioneller Familienwerte – ein Argument, das Frauenrechtler:innen als Deckmantel für staatlich legitimierte Frauenfeindlichkeit kritisieren.

Ein traditionelles Familienbild als Gefahr

Der türkische Staat fördert seit Jahren ein konservatives, patriarchales Familienbild, das Frauen in erster Linie als Ehefrauen und Mütter sieht. Aussagen von Regierungsvertreter:innn, wonach Frauen „ihre wahre Erfüllung im Muttersein finden“, oder die Behauptung, dass Gleichstellung „unnatürlich“ sei, verstärken gesellschaftliche Rollenbilder, in denen Gewalt gegen Frauen häufig verharmlost oder gerechtfertigt wird.

Zudem fehlt es an institutioneller Unterstützung: Frauenhäuser sind rar, staatliche Beratungsstellen unterfinanziert, und Polizisten und Richter sind oftmals nicht ausreichend für den Umgang mit häuslicher Gewalt sensibilisiert.

Forderung nach konsequentem Schutz und gesellschaftlichem Wandel

Frauenrechtsorganisationen fordern seit Jahren: Feminizide sind keine Einzelfälle – sie sind politisch. „Der Mord an Dilan Aslan ist ein weiterer Beweis dafür, dass es in der Türkei nicht nur um individuelle Gewalt geht, sondern um ein strukturelles Problem, das durch politische Untätigkeit und ideologische Rückschritte gefestigt wird“, erklärte die Frauenplattform Amed. „Wir brauchen nicht nur härtere Strafen, sondern ein Umdenken auf allen Ebenen – in der Politik, der Justiz, der Gesellschaft. Solange patriarchale Gewalt nicht beim Namen genannt wird, wird sich nichts ändern.“

Foto: Anti-Feminizid-Protest in Hamburg, Juli 2024 © ANF