Erinnerung an sexualisierte Kriegsgewalt in Köln unerwünscht?

Die Kölner Oberbürgermeisterin Reker hat die Aufstellung einer koreanischen Friedensstatue, die an sexualisierte Gewalt gegen Frauen erinnert, vor der Gedenkstätte NS-DOK in Köln untersagt. Diese sollte im Rahmen einer 8. März Kundgebung enthüllt werden.

Koreanische Friedensstatue

In Köln plant ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen vom 8. März bis zum 1. Juni 2025 die Ausstellung „Kunst gegen das Vergessen“ zu zeigen. Neben künstlerischen Reflexionen zu Folgen des Zweiten Weltkriegs aus Afrika, Asien und Ozeanien und der historischen (Wander-)Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ sei eine koreanische Friedensstatue, die an sexualisierte Gewalt gegen Frauen erinnert, integraler Bestandteil dieses Vorhabens. Die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die Aufstellung dieser Statue vor dem ND-Dokumentationszentrum Köln (NS-DOK) nun untersagt. Ein breites Bündnis fordert sie in einem offenen Brief nun zur Rücknahme dieser Entscheidung auf.

Hintergrund der koreanischen Friedensstatue

Das japanische Militär hat während des Asien-Pazifik-Krieges (1937-1945) schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Mädchen und junge Frauen verschleppt, um sie in den zynisch „Troststationen“ genannten Militärbordellen zur Arbeit zu zwingen. Die meisten von ihnen waren zwischen elf und neunzehn Jahre alt und wurden aus ehemaligen japanischen Kolonien wie Korea und Taiwan, sowie aus den im Krieg besetzten Ländern „zwangsrekrutiert“. Euphemistisch „Trostfrauen“ genannt, dienten sie den japanischen Soldaten und Offizieren zur „moralischen Ertüchtigung“ und als „Mittel der Disziplinförderung“.

Selbst die Erinnerung wird unterdrückt

Bis heute hat die japanische Regierung keine juristische Verantwortung dafür übernommen, mit den „Troststationen“ ein System zur Massenvergewaltigung hinter verschlossenen Türen etabliert zu haben. Die koreanische Menschenrechtsaktivistin Kim Hak-Sun ging 1991 als erste der ehemaligen „Trostfrauen” mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit und deckte hiermit das ganze Ausmaß der japanischen Kriegsverbrechen auf. In der Folge entstand eine transnationale „Trostfrauen“-Bewegung, die auch heute für Gerechtigkeit kämpft. Sie fordert eine Anerkennung und umfassende Aufarbeitung des militärischen Systems der sexuellen Sklaverei als Kriegsverbrechen sowie eine aufrichtige Entschuldigung durch den japanischen Staat und Entschädigung für die Überlebenden. Doch selbst die Erinnerung an diese Verbrechen wird in Japan unterdrückt.

Ein leerer Stuhl erinnert an die Namenlosen

Um der verweigerten Anerkennung entgegenzusetzen und den Wunsch der „Trostfrauen“-Bewegung auf eine angemessene Geschichtsbewältigung in das öffentliche Gedächtnis zu rücken, entwarf das südkoreanische Künstlerehepaar Seo Kyung und Eun Sung Kim eine „Friedensstatue“, die am 14. Dezember 2011, anlässlich der tausendsten Frauen-Demonstration, erstmals vor der japanischen Botschaft in Seoul errichtet wurde. Sie zeigt ein minderjähriges Mädchen neben einem leeren Stuhl, der an die vielen Namenlosen erinnert, die sexualisierte Gewalt nicht überlebt haben.

Verweigerung von Solidarität

Während ein Sprecher der Oberbürgermeisterin gegenüber einer Lokalzeitung auf eine falsche Adressierung des Antrags als Untersagungs-Grund verweist, richten die Unterzeichnenden in dem offenen Brief klare Worte an Reker und verweisen auf den Kontext des gesamten Projektes: „Ihr Verbot ist nicht nur ein Eingriff in die Gestaltungsfreiheit eines Kölner Museums und ein Angriff auf die Kunstfreiheit. Damit verweigern Sie auch den Frauen, die von Kriegsverbrechen betroffen sind, Ihre Solidarität und Sie torpedieren Absprachen und Vorbereitungen für das internationale Ausstellungsprojekt im NS-DOK, die vor mehr als zwei Jahren begonnen haben.
Daran waren auch vier städtische Ämter als Förderer bzw. Kooperationspartner beteiligt. Das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern, das für die Ausgestaltung des Internationalen Frauentags seitens der Stadt zuständig ist, gehört zu den Kooperationspartnern der Kundgebung, die am 8. März zur Enthüllung der Statue geplant ist.

Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg

Das internationale Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt erinnert an den Beitrag, den Menschen aus der Dritten Welt zur Befreiung der Welt von Nationalsozialismus, italienischem Faschismus und japanischem Großmachtwahn geleistet haben. Tatsächlich kämpften im Zweiten Weltkrieg mehr Soldaten aus Ländern der Dritten Welt als aus Westeuropa, und in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika gab es mehr Opfer als in den faschistischen Achsenmächten Deutschland, Italien und Japan.
Der Grund dafür: Weite Teile der Welt waren noch kolonialisiert, als der Krieg begann und alle am Krieg beteiligten Mächte rekrutierten in den Kolonien Soldaten und Hilfskräfte für Kriegsdienste aller Art – oftmals mit Gewalt. Dazu gehörten in Asien und der Pazifikregion ca. 200.000 Frauen, die in japanische Militärbordelle verschleppt wurden. […]

Der Konflikt um die Friedensstatue

Inzwischen stehen Kopien der Statue in vielen Städten Koreas sowie in China, den USA, Kanada, Italien und Deutschland. Wo auch immer sie aufgestellt werden, gibt es diplomatische Proteste japanischer Regierungsstellen und Versuche, die Aufstellung der Statue zu verhindern, so gerade auch in Berlin. Die Friedensstatue erinnert nicht nur an die Kriegsverbrechen der ‚Kaiserlich Japanischen Armee‘, sondern die Inschrift auf der Bodenplatte verweist explizit auch auf Vergewaltigungen in den ‚Militärbordellen der Deutschen Wehrmacht‘ und auf sexualisierte Gewalt in den Kriegen von heute.“

Abschließend stellt der Zusammenschluss konkrete Forderungen an Reker:

  • „Aufstellung der Friedensstatue vor dem NS-DOK während des dreimonatigen Ausstellungszeitraums im NS-DOK (8. März bis 1. Juni 2025)

  • Unterstützung der Kundgebung gegen sexualisierte Gewalt und zur Enthüllung der Friedensstatue am Internationalen Frauentag (8. März) durch die Stadt Köln

  • Keine Zugeständnisse an Geschichtsrevisionismus aus Japan oder anderswo

  • Solidarität mit den von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen weltweit

Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Entscheidung zurücknehmen.“

Unterzeichnende:
Veranstalter:innen der Kundgebung am 8. März 2025 vor dem NS-DOK:
Christa Aretz & Karl Rössel
Kurator:innen der Ausstellung DIE DRITTE WELT IM ZWEITEN WELTKRIEG
Nataly Jung-Hwa-Han
Korea-Verband, Berlin
Behshid Najafi
agisra e.V. (Informations- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen in Köln)
Dr. Monika Schlicher
Stiftung Asienhaus, Köln
Mirjam Overhoff & Hannah Wolf
Philippinenbüro e.V., Köln
Mary Lou Hardillo-Werning
Philippine Women’s Forum Germany e.V. / Babaylan Europe, Köln
Dr. Rainer Werning
Publizist & Ko-Autor des Asien-Kapitels in dem Buch ‘UNSERE OPFER ZÄHLEN NICHT' -
DIE DRITTE WELT IM ZWEITEN WELTKRIEG, Königsdorf
Brigitte Erdweg
Frauen gegen Erwerbslosigkeit, Köln
Denise Klein
Paula e.V., Köln
Birgit Morgenrath & Albrecht Kieser
recherche International e.V.

Fotos © Korea Verband