Die Geschichte eines Liedes: „Li Mêrdînê li Bagokê“

Am 1. April 1988 starben 20 Mitglieder der kurdischen Guerillaorganisation ARGK auf dem Bagok bei einem Gefecht mit der türkischen Armee. Unter dem Eindruck des Widerstands entstand aus der Feder von Hozan Dilgeş das Lied „Li Mêrdînê li Bagokê“.

Am 1. April 1988 ereignete sich auf dem Berg Bagok in Mêrdîn (tr. Mardin) das bis zum damaligen Zeitpunkt größte Gefecht zwischen der kurdischen Guerilla und der türkischen Armee seit Aufnahme des bewaffneten Kampfes. Der Bagok erhebt sich zwischen den Landkreisen Midyad und Nisêbîn. An diesem Apriltag vor 33 Jahren hatten dreißig junge Angehörige der Artêşa Rizgariya Gelê Kurdistan (Volkbefreiungsarmee Kurdistans, ARGK), der Vorgängerorganisation der HPG, gerade ihre Ausbildung abgeschlossen. Durch einen Tipp war die türkische Armee auf sie aufmerksam geworden und leitete eine große Militäroperation ein. Im offenen Gelände des Bagok würde es der insgesamt aus 50 Personen bestehenden Guerillagruppe nicht möglich sein, sich gegen konventionelle Truppen zu behaupten.

Die Kämpfe in dem ARGK-Camp unter Führung des Kommandanten Veli Yaşar (Nom de Guerre: Delil) dauerten einen ganzen Tag lang. Über mehrere Stunden konnte das Gebiet erfolgreich verteidigt werden. Am frühen Abend waren drei Guerillakämpfer an den Folgen von Schussverletzungen gefallen. Demgegenüber gab es in den Reihen der türkischen Armee etwa 200 Tote und drei abgeschossene Hubschrauber. Als Reaktion auf die hohen Verluste bombardierte die Luftwaffe das Gelände mit chemischen Waffen. Dieser Angriff führte zu siebzehn weiteren Gefallenen bei der ARGK, darunter auch Ayten Tekin. Sie war die einzige Frau bei der Guerillaeinheit am Bagok gewesen. 1966 in einem Bergdorf in Çewlîg (Bingöl) geboren, musste sie im Alter von 15 Jahren ihre Heimat verlassen. „Wir kamen gegen die staatliche ‚Aufstandsbekämpfung‘ nicht mehr an, deshalb gingen wir weg und ließen uns in Izmir nieder“, schrieb ihr inhaftierter Bruder Eren Tekin vor einigen Jahren in einem Nachruf auf Ayten Tekin. Für ihren Anschluss an die Guerilla hatte sie sich den internationalen Frauenkampftag am 8. März 1988 und den Namen Rojîn ausgesucht. Rojîn bedeutet auf Kurdisch der Tag, die Sonne oder der Sonnenaufgang.

Ayten Tekin aka Rojîn

Der Widerstand am Bagok war im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts das erste Glied in einer Kette von schweren Kämpfen der Guerilla und der Beginn eines großen Krieges. Unter diesem Eindruck entstand damals aus der Feder des kurdischen Sängers Hozan Dilgeş das Lied „Li Mêrdînê li Bagokê“. Dilgeş stammte selbst aus der Gegend um den Bagok und war 1952 in einem ezidischen Dorf in Nisêbîn geboren worden. 2017 starb er im deutschen Exil an einem Krebsleiden. Hozan Dilgeşs Stück „Li Mêrdînê li Bagokê“ war prägend für die Widerstandsmusik der PKK und wurde zu einem festen Bestandteil der kurdischen Befreiungsbewegung. Auch im kollektiven Gedächtnis der kurdischen Gesellschaft ist das Lied jederzeit präsent. Weder auf Hochzeiten fehlt es, noch auf anderen Festlichkeiten, wo alle zusammen feiern und tanzen. 

Li Mêrdînê li Bagokê
Xûn herikî weke cihokê

Li Mêrdînê li Bagokê
Xûn herikî weke cihokê
Şer dewam kir şev û rokî
Şer dewam kir şev û rokî
Bijî bijî şerrê me li Bagokê
Bijî şerrê me li Bagokê

Çîyayê Bagokê bi dar e
Leşker lê girt bi hezara
Çîyayê Bagokê bi dar e
Leşker lê girt bi hezara
Li wir bûbû axir dewra
Li wir bûbû axir dewra
Li ser serê çend hevala
Li ser serê çend hevala

Heval Delîl bûbû rêber
Xuşka Ayten êrîş kir ser
Heval Delîl bûbû rêber
Xuşka Ayten êrîş kir ser
Çav dil êş û heval hene
Çav dil êş û heval hene
Heval kuştin gelek leşker
Heval kuştin gelek leşker

Çav ji dijmin neşikandin
Şer xweş kirin kemirandin
Çiyayê Bagokê hejandin
Dîrok bi zêr neqişandin

Li Mêrdînê li Bagokê
Xûn herikî weke cihokê
Şer dewam kir şev û rokî
Şer dewam kir şev û rokî
Bijî bijî şerrê me li Bagokê
Bijî şerrê me li Bagokê