Buchvorstellung in Köln: „Wir wissen was wir wollen – und was wir tun“

In Köln kamen am Freitag 30 junge Interessierte auf Einladung von „Women Defend Rojava“, „Gemeinsam kämpfen!“ und dem Kurdischen Frauenrat zu einer Lesung des Buches „Wir wissen was wir wollen – und was wir tun“ zusammen.

In Köln haben am Freitagabend die feministischen Kampagnen „Women Defend Rojava“ und „Gemeinsam kämpfen!“ zusammen mit dem Kurdischen Frauenrat zu einer Lesung des Buches „Wir wissen was wir wollen – und was wir tun“ eingeladen. Rund 30 Interessierte, hauptsächlich junge Menschen, kamen dazu im Naturfreundehaus Köln-Kalk zusammen. Dort versammelten sich die Teilnehmenden zunächst im ruhigen Garten des Hauses im belebten Stadtteil Kalk, es bot sich eine neugierige Stimmung. Im Eingangsbereich war ein Büchertisch aufgebaut, auf dem Broschüren und Bücher ausgelegt waren. Dort konnten die Gäste auch das vorgestellte Buch erwerben. Das von einem Kollektiv herausgegebene Werk war nach einer feministischen Delegationsreise im Winter 2018/2019 in die Autonomiegebiete Nord- und Ostsyriens entstanden.

Zu Beginn der Veranstaltung im Naturfreundehaus wurde kurz die aktuelle Lage in Kurdistan und dem Mittleren Osten beleuchtet, um daraufhin auf die Notwendigkeit der Organisierung von Frauen und Menschen anderer unterdrückter Geschlechter des patriarchalen Systems in Deutschland und Europa überzugehen. Eine Aktivistin wies darauf hin, dass die Errungenschaften und Erfahrungen der Frauen in der autonomen Region Rojava ein immenser Werkzeugkasten und Einfluss für unsere Organisierung und Leben hier sein können.

„Wie sieht es aus, wenn eine Theorie in die Praxis umgesetzt wird?“

Eine Herausgeberin des Buches und Teilnehmende der Delegation berichtete an diesem Abend selbst über die Erfahrungen und las einige Stellen aus dem Buch. Zügig begann die Buchvorstellung mit einer kurzen Einführung der Ideen der Freiheitsbewegung, die Rolle der Frauen in ihr und die Bedeutung Abdullah Öcalans als Vordenker der Frauenbefreiungsideologie. Ebenfalls wurde die geografische Lage bildlich dargestellt und erklärt. Die Vortragende erklärte, dass sich die Delegierten die Frage stellten: „Wie sieht es aus, wenn eine Theorie in die Praxis umgesetzt wird?“, und dass dieses Buch zu 80 Prozent aus Interviews besteht. Es ist ein sehr praxisnahes Buch, welches die Lebensrealitäten der Frauen in Rojava aus ihrer Sicht erklärt. Es wurden Interviews mit ungefähr 120 Frauen von einer feministischen, internationalistischen Delegation geführt. Diese reiste nach Nord- und Ostsyrien, um besser zu verstehen, was die Frauenrevolution dort eigentlich bedeutet. Denn in der Region wird seit 2012 ein nicht-staatliches Gesellschaftssystem aufgebaut, welches auf dem neuen Paradigma der Befreiungsbewegung, dem Demokratischen Konföderalismus, Geschlechterbefreiung und Ökologie beruht. Die Referentin gab den interviewten Frauen in der Lesung einen sehr großen Raum. So las sie einige Textauszüge aus den Interviews mit unterschiedlichsten Frauen, die sich selbst organisierten in den verschiedenen Strukturen der demokratischen Autonomie. Einige waren Teil der Volksräte. Wie beispielsweise die erste Frau, die im Vortrag vorgestellt wurde, Minawir Xalid. Sie war in den 90er Jahren Mitglied der Koordination im Volksrat des Kantons Qamişlo. Ebenfalls wurde Lima Abdullah / Dayîka Ciwan vorgestellt, die schon sehr lange Teil des Aufbaus der Strukturen ist.

Aufbau von Kommunen- und Rätesystem in Rojava

Andere organisierten sich in den bewaffneten Strukturen der Selbstverwaltung. Viele davon waren Mütter, die gegen äußere Angriffe, auch aus ihrem direkten Umfeld, immer wieder klar machten, was die Selbstorganisierung für sie als Frauen bedeute, und dass sie ihr Leben lang daran festhalten würde. Als Beispiel stellte die Referentin Medya Abdullah vor, die im Frauenrat Dêrik Verantwortliche für die Verteidigungskommission und Teil der Selbstverteidigungsstrukturen HPC-Jin ist.

Die Referentin erklärte, dass eine gesellschaftliche Selbstverwaltung in Form eines Kommunen- und Rätesystems in allen Gesellschaftsbereichen, wie beispielsweise Gesundheit, Bildung, Selbstverteidigung, Wirtschaft, Kunst und Kultur, seit der Zurückdrängung des syrischen Regimes im Jahr 2012 aufgebaut wurde. Darüber waren einige Anwesenden der Veranstaltung sehr positiv überrascht. Sie wies weiter darauf hin, dass parallel zu den gemischtgeschlechtlichen Strukturen auch autonome Frauenstrukturen in allen Bereichen aufgebaut wurden. Ebenfalls wurde das Ko-Vorsitzenden-System und ein Rätesystem mit hoher Frauenbeteiligung eingeführt, um das patriarchale Gesellschaftssystem zu brechen. Außerdem berichtete die Referentin über das Frauendorf Jinwar und die Frauenzentren „Mala Jin“.

Diskussion über die Perspektiven der autonomen Organisierung

Nach der Buchvorstellung entstand eine rege Diskussion über die Perspektiven der autonomen Organisierung in Deutschland und was es dafür braucht. Eine Anwesende im Publikum fasste für sich den Abend zusammen mit den folgenden Worten: „Es war wirklich etwas Besonderes. Ich habe noch nie eine Buchvorstellung besucht, die mich so sehr bewegte.“