Buchtipp: Autobiografie von Hatip Dicle auf Deutsch

Im Frankfurter Westend Verlag erscheint am Montag die Autobiografie des prominenten kurdischen Politikers Hatip Dicle: „Ein Leben im Kampf für die Rechte der kurdischen Bevölkerung“ wurde übersetzt von Müslüm Örtülü.

Der kurdische Politiker Hatip Dicle hat wegen seiner politischen Überzeugung und seines Kampfes für die Rechte der Kurdinnen und Kurden über fünfzehn Jahre in türkischer Haft verbringen müssen. Nach dem sogenannten Putschversuch von 2016 entschied er sich aufgrund der sich verschlechternden politischen Entwicklungen und drohender erneuter Verhaftung, seine Heimat zu verlassen und ins Exil zu gehen. Seinen politischen Kampf setzte er in Deutschland fort, obgleich auch hier nicht frei von Problemen. Nach Jahrzehnten des politischen Engagements, der Diffamierungen und Anfeindungen, aber auch der Hoffnungen und Erfolge, hat der heute fast 70-jährige Politiker seine Erfahrungen in einer Autobiografie verarbeitet, die unter dem Titel „Ein Leben im Kampf für die Rechte der kurdischen Bevölkerung“ im Frankfurter Westend Verlag erscheint und ab 8. Mai im Buchhandel erhältlich ist.

Hatip Dicle: „Ein Leben im Kampf für die Rechte der kurdischen Bevölkerung. Eine Autobiografie“ Westend Verlag Frankfurt/M., Mai 2023 206 Seiten, 20 Euro

Über Hatip Dicle

1954 in Amed (tr. Diyarbakır) geboren, absolvierte Hatip Dicle ein Bauingenieurstudium an der TU Istanbul. 1990 kehrte er zurück in seine Heimatstadt, wo er zum örtlichen Vorsitzenden des Menschenrechtsvereins IHD gewählt wurde und 1991 als Kandidat der SHP (Sozialdemokratische Volkspartei) ins Parlament einzog. Während seiner Zeit als Abgeordneter war er stellvertretender Vorsitzender der HEP (Arbeitspartei des Volkes).

1993 beauftragte ihn der damalige türkische Staatspräsident Turgut Özal, den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan im Libanon aufzusuchen, um den Wunsch der Regierung nach einem unbefristeten Waffenstillstand persönlich zu übermitteln. Özal wollte seinerseits im Zuge des Waffenstillstands seine Bemühungen für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage intensivieren.

Öcalan ging auf das Angebot Özals ein und verkündete am 16. April 1993 einen Waffenstillstand. Doch einen Tag später verstarb überraschend der türkische Staatspräsident. Nach dem Tod von Özal scheiterten die Friedensbemühungen – die HEP wurde im Zuge des wiederentbrannten Krieges verboten. Hatip Dicle wurde Ende 1993 zum Vorsitzenden ihrer Nachfolgepartei, der Demokratie Partei (Demokrasi Partisi, DEP) gewählt.

Am 2. März 1994 hob das Parlament die Immunität Hatip Dicles, drei weiterer DEP-Abgeordneter – Ahmet Türk, Sırrı Sakık, Leyla Zana und Orhan Doğan (verst. 2007) – und eines parteilosen Abgeordneten (Mahmut Alınak) auf Betreiben der damaligen Ministerpräsidenten Tansu Çiller auf, alle wurden am gleichen Tag am Parlamentsausgang festgenommen und später zu 15 Jahren Haft verurteilt. 2004 wurden sie nach insgesamt zehneinhalb Jahren im Gefängnis vorzeitig entlassen.

Hatip Dicle setzte seinen Kampf für die Rechte der kurdischen Bevölkerung nach seiner Freilassung entschlossen fort – doch nach seiner Wahl zum Ko-Vorsitzenden der Graswurzelbewegung „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (KCD) Ende 2009 wurde er erneut inhaftiert. Während seiner fünfjährigen Haftzeit im Zuge des sogenannten KCK-Hauptverfahrens wurde er bei den Parlamentswahlen 2011 als unabhängiger Kandidat gewählt, aber die Wahl nachträglich annulliert.

Nach seiner Entlassung 2014 war Dicle Teil der Delegation, die Gespräche zwischen dem türkischen Staat und dem PKK-Begründer Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali und mit der PKK-Leitung in den Qendîl-Gebirgen in Südkurdistan führte. Ergebnis war eine Deklaration – „Dolmabahçe-Memorandum“ – mit insgesamt zehn Artikeln, die den Rahmen für einen Verhandlungsprozess im Sinne der kurdischen Frage darstellten. Das Ziel war zugleich auch die umfassende Demokratisierung der Türkei. Doch so weit kam es nicht, da der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Verhandlungsprozess einseitig für beendet erklärte und den noch während der Gespräche mit der kurdischen Seite entworfenen „Zersetzungsplan“ zur Vernichtung der kurdischen Bewegung ins Werk zu setzen begann. Der am 24. Juli 2015 mit der Bombardierung der Qendîl-Berge durch die türkische Luftwaffe begonnene „totale Vernichtungskrieg“ dauert seither an.

(Mit Material von AZADÎ und ND)