Ain Issa: „Der türkische Staat hat hier nichts zu suchen"
Die Menschen im nordsyrischen Landkreis Ain Issa leben unter permanentem türkischem Beschuss. Im ANF-Gespräch beschreiben sie die Dimension der Angriffe.
Die Menschen im nordsyrischen Landkreis Ain Issa leben unter permanentem türkischem Beschuss. Im ANF-Gespräch beschreiben sie die Dimension der Angriffe.
In den letzten Wochen haben die türkischen Angriffe auf Dörfer in der Umgebung von Ain Issa in Nordsyrien deutlich zugenommen. Praktisch jeden Tag schlagen in den selbstverwalteten Gebieten Artilleriegranaten ein. Immer wieder kommt es zu Todesopfern unter der Zivilbevölkerung. So wurde am 4. August ein Vater zusammen mit seinen drei Kindern im Dorf Safawiya getötet, am 17. September kamen vier Zivilist:innen ums Leben und am 22. September starb ein Zivilist aufgrund der Angriffe der türkischen Armee auf das nordwestlich von Ain Issa gelegene Dorf Dibis.
Gegenüber ANF haben sich Menschen aus dem Dorf Hîşê zur Dimension der Angriffe geäußert. Emine Osman erklärt: „Jeden Tag gibt es Angriffe. Der türkische Staat setzt alle Mittel für seine Angriffe ein. In ganz Syrien herrscht seit Jahren Krieg. Die Leute sind zu uns gekommen, weil unsere Gebiete sicher waren. Aber wegen der Angriffe des türkischen Staates ist die Sicherheit unserer Region gefährdet. Zivilisten kommen bei den Angriffen ums Leben. Der türkische Staat hat hier nichts zu suchen. Dieses Land gehört uns. Der türkische Staat greift jeden Tag an, er tötet Kinder, die Alten werden verschleppt. Er besetzt unser Land und damit nicht genug, er bringt seine Söldner mit und siedelt sie in unseren Häusern an. Russland, das angeblich Garantiemacht ist, schaut dabei einfach zu.“
„Russland und die anderen Kräfte schauen nur zu, ihre Anwesenheit hat keine Bedeutung“
Emine Osman kommentiert die Anwesenheit der russischen Truppen mit den Worten: „Sie sind hier auf unserem Land stationiert. Sie sitzen hier und verschließen die Augen vor allem, was der türkische Staat anrichtet. Die Anwesenheit Russlands macht also keinen Sinn. Nicht nur Russland, sondern alle internationalen Mächte verhalten sich so. Sie orientieren sich nur an ihrem Vorteil und sagen deshalb nichts zu den türkischen Angriffen. Wenn diese Kräfte schweigen, zeigen sie natürlich, dass der türkische Staat in ihrem Interesse agiert. Dass so viele Zivilisten sterben, interessiert sie nicht. Denn die Gebiete, die besetzt werden, gehören nicht ihnen, und die Menschen, die sterben, sind nicht aus ihrer Bevölkerung. Sie haben uns gezwungen, Girê Spî zu verlassen, und es zugelassen, dass die Türkei dort ihre Truppen stationiert. Russland will jetzt das Gleiche hier machen.
Was passiert, wenn die Angriffe in dieser Intensität weitergehen? Nun kommt der Winter, was sollen die Menschen machen? Die türkische Armee und ihre Söldner brennen Dörfer nieder, sie zerstören Häuser. Wie Sie wissen, sind neulich in einem Dorf vier Zivilisten und in einem anderem Dorf was weiß ich wie viele Menschen getötet worden. Was war das Verbrechen dieser Menschen, dass sie einfach umgebracht werden? Kinder werden im Schlaf getötet. Wie lange soll das so weitergehen? Unsere ganze Unterstützung gilt unseren Kämpferinnen und Kämpfern. Sie sind unsere Kinder. Dank ihnen sind wir heute noch hier in unseren Häusern. Sie verteidigen uns jeden Tag, indem sie sich an der Front jeden Tag den Bomben und Panzern des türkischen Staats entgegenstellen und ihr Leben für unsere Würde opfern.“
„Sie wenden alle mögliche Art von Gewalt an“
Der Ko-Vorsitzende des Volksrats von Hişê, Khalil al-Isa, sagt über die Angriffe: „In letzter Zeit haben die Angriffe und Massaker des türkischen Staates zugenommen. Es gibt viele Angriffe auf Dörfer bei Til Temir, Ain Issa und Girê Spî. Zivilisten werden bei diesen Angriffen getötet. Ihre Häuser und Dörfer werden geplündert. Der türkische Staat verübt Gewalttaten und Grausamkeiten aller Art an der Zivilbevölkerung. Das alles geschieht vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Das Schweigen ist vorsätzlich. Dem türkischen Staat wird damit der Weg freigemacht. In Girê Spî werden Frauen und alte Menschen verschleppt. Als Völker Nordostsyriens müssen wir uns vereinen und gegen diese Kräfte, die den Islam zum Werkzeug ihrer Grausamkeit machen, kämpfen. Wir müssen sie von unserem Land vertreiben.
Wir, die Völker Nordostsyriens, leben sicher unter der Selbstverwaltung und dem Schutz der QSD. Der türkische Staat setzt jedoch alles daran, Chaos in der Region zu stiften. Der Zweck dabei ist klar. Es geht darum, die Menschen zu vertreiben und die demografische Struktur gewaltsam zu verändern. Aus den besetzten Dörfern werden die Menschen mit Gewalt vertrieben und es werden dort türkische Stützpunkte errichtet. Der türkische Staat bringt seine Söldner und ihre Familien dort unter.
„Es geht nur darum, uns von unserem Land zu vertreiben“
Xelef Gedro lebt ebenfalls in Hişê. Er führt zu den Angriffen aus: „Unser Dorf liegt an der Schnellstraße M4. Es wird ständig von der türkischen Regierung und ihren Söldnern bombardiert. Viele Male sind Menschen bei der Arbeit auf den Feldern beschossen worden. Die gesamte Bevölkerung der Region befindet sich im Visier des türkischen Staates. Die türkische Armee hat in Safawiya und Dibis Massaker verübt. Die Besatzungstruppen benutzen alle möglichen Waffen gegen uns. Ihr einziges Ziel ist es, uns von unserem Land zu vertreiben. Im besetzten Girê Spî unterdrücken sie die Menschen. Vor Angst traut sich niemand mehr aus seinem Haus. Die Menschen werden entführt und mit ihnen wird Lösegeld erpresst. Leute werden umgebracht und ihr Besitz wird geplündert.“