125 Jahre kurdische Presse

Am 22. April 1898 erschien in Kairo die erste kurdische Zeitschrift „Kurdistan“, herausgegeben von Mîqdad Mîdhat Bedirxan. Seitdem gilt der 22. April als Tag des kurdischen Journalismus.

Vor 125 Jahren erschien mit der Zeitschrift „Kurdistan“ in Äygpten die erste kurdischsprachige Zeitung der Welt. Sie wurde erstmals am 22. April 1898 von Mîqdad Mîdhat Bedirxan, der aus der Adelsfamilie der Bedirxans stammte, herausgegeben. Die Familie diente als Vasallen des Osmanischen Reiches. Mîqdad Mîdhat Bedirxans Vater Bedirxan Beg, der Fürst von Botan war, lehnte sich 1847 gegen seine Oberherren auf, wurde jedoch besiegt und nach Kreta ins Exil geschickt.

Mîqdad Mîdhat Bedirxan ging nach Ägypten. In Kairo gründete er mit weiteren Exilkurd:innen die Zeitung „Kurdistan“. Am 30. April 1898 – nur acht Tage nach der ersten Ausgabe – wurde bereits der Export der zweiten Ausgabe der kurdischen Zeitung ins Osmanische Reich von Sultan Abdülhamid II. verboten.

„Diese Zeitung ist ein Bahnbrecher“

Die Zeitung bestand aus vier Seiten und erschien unregelmäßig. Die erste Auflage lag bei 2000 Stück. Die ersten fünf Ausgaben wurden in Kairo veröffentlicht, aufgrund der politischen Situation in Ägypten musste die Zeitung in die Schweiz emigrieren. Die Ausgaben 6 bis 19 erschienen deshalb in Genf, die Ausgaben 20 bis 23 in London, die Ausgaben 24 bis 29 in Folkestone. Mit Ausgabe 30 und 31 erschienen die beiden letzten Ausgaben erneut in Genf. 1902 wurde die Zeitung nach insgesamt 31 Ausgaben eingestellt.

Als Herausgeber der Zeitung schrieb Bedirxan im Editorial der Zeitung: „Sie [die Kurden] sind sich nicht bewusst, was in der Welt und in ihrer Nachbarschaft passiert. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, diese Zeitung – so Gott will – alle 15 Tage zu veröffentlichen. Ich habe sie ‚Kurdistan‘ genannt. Ich hebe die Bedeutung der Bildung und Wissenschaft hervor. Wo es auch immer bedeutende Schulen und Institutionen gibt, werde ich den Kurden davon berichten. Ich werde den Kurden auch über die Kriege, die stattfinden, berichten, ebenso über die Taten der großen imperialistischen Mächte, wie sie kämpfen und wie sie handeln. Niemand veröffentlichte (zuvor) eine Zeitung wie diese, daher ist diese Zeitung ein Bahnbrecher.“

Die erste Seite der zweiten Ausgabe von „Kurdistan“ | Quelle: Sara Distribution

Artikel sowohl in Kurmancî als auch in Osmanisch

In „Kurdistan“ erschienen die Artikel sowohl in Kurmancî als auch in Osmanisch. Anfangs bestand die Absicht der Herausgeber darin, Kurdinnen und Kurden Wissen über Bildung und Kultur zu vermitteln. In einem Artikel stellte Bedirxan seine Absicht für die Herausgabe der Zeitung wie folgt dar: „Ich, als angesehenes Mitglied der kurdischen Elite, habe diese Zeitung veröffentlicht, gemäß eines Befehls des Propheten ‚Ihr als Hirten seid verantwortlich für eure Herde’, um meine Pflicht zu erfüllen, in der Hoffnung, die Kurden in Bildung und Wissenschaft zu unterrichten und ihr Bewusstsein zu einem modernen Niveau zu erhöhen.”

Kritik an Sultan Abdülhamid

Doch die Zeitung wandte sich auch gegen die Autokratie Sultan Abdülhamids II. und verteidigte liberal-demokratische Ansätze. So beschuldigten die Herausgeber den osmanischen Sultan, durch die Einrichtung der Hamidiye-Regimenter Zwietracht unter der kurdischen Bevölkerung gesät und sie gegen die Armenierinnen und Armenier aufgehetzt zu haben. Die von Abdülhamid II. zur Ergänzung der „Aufstandsbekämpfung in Ostanatolien“ Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Kavallerietruppe, der auch Angehörige kurdischer Stämme angehörten, beteiligte sich aktiv am Genozid an der armenischen Nation, dem zwischen 1915 und 1917 etwa 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Zeitung zur „(Wieder)erweckung der Kurden“

Die in den Spalten der Zeitung beklagte Rückständigkeit Kurdistans wollte man vor allem durch Bildung bekämpfen. Dazu gehörte das Wissen um kurdische Geschichte und Kultur, das der Herausbildung eines Patriotismus „unter dem tapfersten und klügsten der orientalischen Völker” dienen sollte. Im Untertitel der Zeitung stand geschrieben: „Zeitung in kurdischer Sprache. Zur (Wieder)erweckung der Kurden und zur Förderung des Studiums der Künste”. Das Epos „Mem û Zîn”, Hauptwerk des kurdischen Dichters Ehmedê Xanî, das mit der Zeit als einer der wichtigsten Bausteine nationaler Bewusstseinswerdung Berühmtheit erlangte, wurde in Fortsetzungen abgedruckt.

Einige Exemplare in Stadtbibliothek von Marburg

In Deutschland hat die Stadtbibliothek von Marburg mit Ausnahme von fünf Ausgaben originale Exemplare der Zeitung. Der Schriftsteller Mehmed Emin Bozarslan transkribierte die Zeitung in das lateinische Alphabet und veröffentlichte sie 1991 in zwei Sammelbänden. Zwei Jahrzehnte zuvor übertrug Bozarslan bereits „Mem û Zîn” aus dem Kurdischen mit arabischen Lettern ins Kurdische mit lateinischen Lettern. Zusätzlich übersetzte er das Buch noch ins Türkische.

Weitere herausgegebene Zeitungen und Zeitschriften der Bedirxan-Familie waren „Hawar” (Damaskus, 1932), „Ronahî” (Damaskus, 1942) und „Roja Nû” (Beirut, 1943).

Heute wird der 22. April als „Tag der kurdischen Journalist:innen” begangen.