Wissenschaftlicher Dienst: „Türkische Besatzung in Efrîn“
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages stellt fest, dass die türkische Präsenz in Nordwestsyrien „völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung” erfüllt.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages stellt fest, dass die türkische Präsenz in Nordwestsyrien „völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung” erfüllt.
In einer von der Linksfraktion in Auftrag gegebenen Sachstandsfeststellung „zur völkerrechtlichen Einordnung der türkischen Militärpräsenz in Nordsyrien“ hält der wissenschaftliche Dienst des Bundestages fest: „Bei Lichte betrachtet erfüllt die türkische Militärpräsenz in der nordsyrischen Region Afrin sowie in der Region um Asas, al-Bab und Dscharablus im Norden Syriens völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung.“
Türkische Botschaft ignoriert Anfragen des Bundestags
Der wissenschaftliche Dienst versuchte von der türkischen Botschaft Informationen über die Dauer und Ausgestaltung der Besatzung von Efrîn zu erhalten, entsprechende Anfragen wurden allerdings bisher ignoriert. Auch sonst fehlen konkrete Stellungnahmen zu den türkischen Plänen und Strukturen in der Region: „Offizielle Stellungnahmen der türkischen Regierung zu den sicherheitspolitischen Zielsetzungen der Türkei – insbesondere zur Dauer der türkischen Militärpräsenz – sowie Informationen über die konkrete Ausgestaltung der Verwaltungsstrukturen in den von der Türkei eingenommenen Gebieten, bei denen türkische Hoheitsgewalt auf eine Gemengelage aus kurdischer Autonomie und syrischem Landesrecht trifft, liegen den Wissenschaftlichen Diensten nicht vor. Eine entsprechende Anfrage an die türkische Botschaft in Berlin vom 6. Dezember 2018 blieb bis dato unbeantwortet.“
Selbstverteidigungsargument der Türkei verliert weiter an rechtlicher Grundlage
Der wissenschaftliche Dienst zieht insbesondere auch die völkerrechtliche Legitimität des türkischen Einmarsches in Zweifel und betont, dass die Weiternutzung des „Selbstverteidigungsarguments“ nach Art. 51 VN-Charta „mit der territorialen Schwächung des ‚IS‘ in Syrien sowie mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu jener – damals schon umstrittenen – Selbstverteidigungslage, auf die sich die Türkei im Januar 2018 berufen hatte, zunehmend an rechtlicher Tragfähigkeit“ verliert.
Zu einer bevorstehenden Invasion in Nordsyrien erklärt der wissenschaftliche Dienst: „Ob eine türkische Besetzung größerer kurdisch-syrischer Gebiete südlich der türkischen Grenze völkerrechtlich notwendig ist, um die Türkei vor – fortlaufenden – Angriffen durch kurdische Milizen bzw. den ‚IS‘ zu schützen, lässt sich trotz des militärpolitischen Einschätzungsspielraums, den man der Türkei bei dieser Frage zubilligen muss, durchaus bezweifeln.“
Das sind relativ deutliche Worte für den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Leider bleibt zu bezweifeln, dass die Bundesregierung dieser eindeutigen Bewertung Taten folgen lassen wird.