Von Silêmanî über Ostkurdistan nach Teheran - Teil 2

Eine Reise von Südkurdistan über Ostkurdistan nach Teheran: Beobachtungen der Landschaft, der Menschen und ihrer Verhaltensweisen

Wir machten uns auf den Weg, um den Markt und die Verkaufsstraßen in Sine zu erkunden. Da wir schon mal hier waren und so viel über den wirtschaftlichen Rückgang gehört hatten, wollte ich mir die Situation auf dem Markt genauer ansehen. Schließlich beschäftige ich mich mit ökonomischen Fragen.

Wir liefen auf das Stadtzentrum von Sine zu. Auf der Straße fiel mir auf, wie besorgt die Gesichter der Menschen aussahen. Von Viyan mussten wir uns verabschieden, aber vorher aßen wir zusammen noch ein Eis, für das diese Gegend berühmt ist. Anschließend gingen wir zu einer Familie aus Sine, die wir kannten. Das Haus war wunderschön, großzügig gebaut und kühl. Vom Fenster aus konnte man einen Teil der Stadt sehen. Als ich erfuhr, dass es bereits vor dreißig Jahren gebaut wurde, war ich verblüfft. Wir wurden freundlich begrüßt und mit köstlichem hausgemachtem Sauerkirschsaft bewirtet.

Es war Zeit für das Abendessen. Der Genuss dieser mit ostkurdischen Spezialitäten gedeckten Tafel einhergehend mit der herzlichen Gastfreundschaft lässt sich nicht mit Worten beschreiben.

Morgens standen wir auf und frühstückten. Die Frühstückskultur ist im Iran und in Ostkurdistan nicht sehr ausgeprägt. Verglichen mit anderen Kulturen ist sie sogar ziemlich arm.

Für uns war die Zeit gekommen, nach Teheran aufzubrechen. Wir packten unsere Koffer. Bevor wir losgingen, wollte ich die Internetsperre aufheben. Dafür musste ein bestimmtes Programm heruntergeladen werden. Jemand brachte mich zu einem Internetcafé. Der Besitzer sagte, dass es zehn Toman kostet. Aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten warnen sich sowohl Verkäufer als auch Käufer immer im Voraus. Das Herunterladen dauerte etwa zwanzig Minuten. Ich kontrollierte, ob es geklappt hatte, dann gingen wir zum Busbahnhof von Sine, um weiter nach Teheran zu reisen.

Von Sine nach Teheran

Als wir am Busbahnhof ankamen, lief ein junger Mann auf uns zu und stellte sich uns vor. „Gestern Abend hat mich die Tochter von Bruder Baban angerufen und gebeten, für euch Tickets nach Teheran zu besorgen“, sagte er und überreichte uns die Fahrkarten. Wir bedankten uns und versuchten, ihm den Fahrpreis zu erstatten, aber er wollte auf keinen Fall Geld von uns annehmen. Wir verstauten unser Gepäck und setzten uns auf die reservierten Plätze. Der Bus war groß und komfortabel. Ich blickte mich um, in dem riesigen Fahrzeug saßen mit uns nur acht Personen. Der Fahrpreis für acht Personen ergibt 600 Toman. Langsam verließen wir Sine. An einigen Stellen hielten wir an, es stiegen weitere Leute ein. Der Busfahrer suchte nach weiteren Fahrgästen, trotzdem füllte sich der Bus nur zur Hälfte. Wir ließen die Berge und die grüne Landschaft hinter uns. Je mehr wir uns Teheran näherten, desto wüstenähnlicher wurde die Umgebung. Vor Teheran fuhren wir durch eine größere Stadt. Ich schaute auf das Ortsschild: Hamedan. Es dauerte lange, die Stadt zu durchqueren. Der Freund, mit dem ich unterwegs war, hat eine Zeitlang im Iran gelebt und sprach gut Persisch. Er kannte sich auch mit der Geschichte des Irans, seiner Kultur und seiner politische Struktur gut aus. „Wir verlassen jetzt Ostkurdistan und fahren ins Land der Perser“, sagte er.

Der Bus fuhr weiter und hielt plötzlich vor einem Lokal am Straßenrand. Die Reisenden stiegen langsam aus, auch wir verließen den Bus. Das Lokal sah ungepflegt und unhygienisch aus, wir verzichteten auf das Essen und begnügten uns bis zur Weiterfahrt mit Tee. Dann ging es weiter. Aus der Ferne sah Teheran farblos und trocken aus. Nach sechseinhalb Stunden Fahrt erreichten wir den Busbahnhof von Teheran. Ich sah aus dem Fenster, die Menschen sahen hier noch bedrückter aus.

Enttäuschung in Teheran

Teheran war sehr anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich verglich die Realität mit meinen Erwartungen und war enttäuscht. Es war geradezu ein Schock. Überall waren eingestürzte Mauern, verdorrte Bäume und ausgetrocknete Bäche, die Hauswände waren farblos. Wir beide wurden bei dem Anblick schweigsam und beobachteten die Umgebung.

Als die Dunkelheit sich langsam über Teheran ausbreitete, kam der Bus an der Haltestelle auf einer Hauptstraße an. Wir stiegen aus und liefen bis ans Ende der Straße. Mein Freund warnte mich mit gedämpfter Stimme: „Das hier ist der Platz der Freiheit, pass auf deine Sachen auf, vor allem die Mopedfahrer sind Spezialisten beim Thema Diebstahl und Entführung.“

Unser Freund Akam wartete in der Nähe auf uns. Wir riefen ihn an, um ihn zu finden. Nachdem wir uns getroffen hatten, stiegen wir schnell in ein Auto und fuhren zu seiner Wohnung. Meine erste Frage an Akam lautete: „Warum ist der Iran so ungepflegt?“ Akam antwortete: „In Teheran leben über 18 Millionen Menschen. Es herrscht eine Wirtschaftskrise und es gibt ein Problem mit der Wasserversorgung. Deshalb sieht es hier so aus. Aber es gibt auch moderne Gegenden in der Stadt, da fahren wir morgen zusammen hin.“

Akams Frau Hêvî empfing uns herzlich an der Haustür. Wir waren so hungrig, dass wir unsere Koffer im Wagen ließen und uns gleich nach der ersten Begrüßung an den Esstisch setzten. Das Essen war köstlich. Im Iran und auch in Ostkurdistan ist das Essen viel weniger fettig und salzig. Unser Gastgeber entschuldigte sich dafür, dass er uns keinen Wein zum Essen anbieten konnte und machte die Wirtschaftslage dafür verantwortlich. Nach dem Essen gab es Tee. Im Iran wird allgemein viel Tee getrunken und zum Süßen nimmt man ein Zuckerstück in den Mund, wo es sich mit dem heißen Tee langsam auflöst.

Der zweite Tag in Teheran

Nach Ortszeit war es 9.30 Uhr, als wir aufstanden. Zwischen dem Iran und Südkurdistan sowie dem Irak gibt es einen Zeitunterschied von anderthalb Stunden. Wir frühstückten und fuhren mit einem Taxi zum alten Basar von Teheran. Der Taxifahrer erzählte, dass er eine Zeitlang in Japan gearbeitet habe. Er redete über die alten Zeiten, verglich die Vergangenheit mit der Gegenwart und sagte in jammerndem Tonfall: „Wie ist es nur so weit gekommen?“

Taxifahrer ist ein sehr schwerer Beruf im Iran. Niemand hält sich an Verkehrsregeln. Jeder fährt, wie es ihm passt, daher sieht man auch keine Autos, die nicht beschädigt wären. Die Motorradfahrer sind noch schlimmer, sie rasen zwischen den fahrenden Autos hindurch.

Am alten Basar stiegen wir aus. Während wir durch die Gassen liefen, suchte mein Blick erneut nach lachenden Gesichtern, aber ich konnte keine entdecken. Auch der Basar selbst war nicht erfreulich. Daher entschlossen wir uns, zur Vali Asr, der längsten und modernsten Straße Teherans zu fahren. Wir stiegen in ein Taxi. Es war sehr heiß. Als wir den Fahrer darum baten, die Klimaanlage einzuschalten, verzog er das Gesicht.

Die Vali Asr bot einen völlig anderen Anblick als alle anderen Straßen, die wir bisher in Teheran gesehen hatten. Auf der ganzen Länge standen Platanen, die gewässert wurden. Wir setzten uns in eine Cafeteria, um uns ein wenig auszuruhen und eine Kleinigkeit zu essen. Es wurde englische Musik gespielt. An der Speisekarte wurde deutlich, dass es eine ostkurdische Cafeteria war. Als wir unser Essen bestellt hatten, rief Akam an. Wir beschrieben ihm, wo wir waren, und er kam zu uns.