Vom ersten Schuss zur Frauenarmee

Frauen waren von Anfang an am bewaffneten Kampf der PKK in Kurdistan beteiligt. Dass Frauen sich heute Gehör verschaffen können, ist den Kämpferinnen aus der schwierigen Anfangszeit in den achtziger Jahren zu verdanken, erklärt die YJA-Star.

Vor 36 Jahren begann in Kurdistan der bewaffnete Kampf. Von Anfang an waren auch Frauen daran beteiligt. Darauf macht die Kommandantur des zentralen Hauptquartiers der Frauenguerillaarmee YJA-Star in einer Erklärung zum Jahrestag des 15. August 1984 aufmerksam:

„So wie für das kurdische Volk hat der Vorstoß vom 15. August auch für die kurdischen Frauen eine große Bedeutung. Frauen waren zur Finsternis verdammt. Sie wurden ausgebeutet und als Ware betrachtet. Aus dieser Position haben sie sich befreit und kämpfen heute dafür, sie selbst zu sein. Um alle Frauen verteidigen zu können, ist eine große Frauenarmee aufgebaut worden. Nach Tausenden Jahren der Verschleierung ist ein frauenzentriertes freies, gleiches, gerechtes und leidenschaftlich nach Wahrheit suchendes Leben entstanden. Dazu hat der Vorstoß vom 15. August maßgeblich beigetragen.“

Frauen von Anfang an beteiligt

„Der Frauenkampf hat sich unter der Führung von Heval Sara [Sakine Cansiz] entwickelt und ist beim Vorstoß vom 15. August von Besê Anuş, Heval Azime und Heval Havva fortgeführt worden. An der Planung und Vorbereitung der Aktion in Dih (türk. Eruh) waren auch Frauen beteiligt. In dieser Zeit haben Heval Besê Anuş, Heval Azime, Heval Havva und viele weitere unserer Weggefährtinnen von Botan bis in den Süden nach Lolan in den Bergen Kurdistans gekämpft. In einer Zeit, in der Frauen brutal unterdrückt und ausgebeutet wurden, haben sie in den kurdischen Bergen Widerstand geleistet. Dass wir uns heute als Frauen Gehör verschaffen können und eine Revolution anführen, verdanken wir den Frauen, die damals unter sehr schwierigen Bedingungen gekämpft haben und gefallen sind.“

Die Frauenarmee hat viel verändert

„Die Gründung der Frauenarmee hat nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer viel verändert. Die plumpe Auffassung von Krieg, in der Frauen als minderwertig galten, ist dem Erdboden gleichgemacht worden. Es hat ein Wandel stattgefunden. Das männerdominierte System hat niemals nur Frauen als ein Geschlecht angegriffen. Mit der Frau wurden auch die Werte einer ethisch-politischen Gesellschaft und ebenso der Mann angegriffen, der sich mit Frauenwerten ausgerüstet hat und den wir als mutig bezeichnen können. Der Befreiungskampf, der um die PKK herum entstanden ist, steht für die Haltung freier Frauen und bietet ebenso diesen mutigen Männern neuen Lebensraum.“

Mahsum Korkmaz hat Frauen unterstützt

„Ein konkretes Beispiel dafür ist der legendäre Kommandant Egîd (Mahsum Korkmaz), der den Vorstoß vom 15. August angeführt hat. Heval Egîd war der Linie von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] und damit der Frauenbefreiung zutiefst verbunden und hat versucht, das in die Praxis umzusetzen. Er hat die Frauen in seiner Einheit unterstützt und eine auf Freiheit basierende genossenschaftliche Beziehung zu ihnen aufgebaut. Diese Herangehensweise war ein Schlag gegen die klassische männliche Denkweise und hat zu einer Offensive wie am 15. August geführt.“

Nur ein freies Leben hat eine Bedeutung

Während der faschistischen Militärdiktatur nach dem Putsch am 12. September 1980 wurden alle, die von ihrer eigenen Existenz und von Menschenrechten sprachen, als potentielle Gefahr eingestuft und ins Gefängnis gesteckt. In den Kerkern des Putschregimes wurden unmenschliche Methoden der psychologischen Kriegsführung benutzt, um diese Menschen umzuerziehen. Die faschistische Junta ging davon aus, dass die revolutionären Menschen mit diesen Methoden willenlos gemacht werden können. Der große Widerstand vom 14. Juli war ein Schock für sie. Die von Mazlum Doğan an seinem Körper entzündete Flamme und sein Ausspruch ‚Widerstand heißt Leben‘ wurden zu einer Fackel, die die Gefängnisse erleuchtete und den Weg wies. Als ‚die Vier‘ sich anzündeten und sagten, ‚Gießt kein Wasser auf das Feuer, lasst es auflodern. Wer Wasser auf das Feuer schüttet, ist ein Verräter‘, brachten sie damit zum Ausdruck, dass sich ihr Willen auch unter den schwersten Bedingungen nicht in die Kapitulation zwingen lässt. Mit dieser Haltung wurde die gesamte Völkermordpolitik ins Leere geführt. Kemal Pir, Mehmet Hayri Durmuş, Ali Çiçek und Akif Yılmaz haben im Kerker von Amed das Todesfasten vom 14. Juli begonnen und mit ihren Körpern eine Aktion durchgeführt, die dem Feind in seinem eigenen Zentrum einen schweren Schlag versetzt hat. Mit dem Satz ‚Wir lieben das Leben so sehr, dass wir dafür zu sterben bereit sind‘, haben sie ihre Liebe zum freien Leben zur Sprache gebracht. Es war ein Ausdruck dafür, dass nur ein freies Leben eine Bedeutung hat und sie dafür bereit sind, ohne Zögern in den Tod zu gehen.“

Sakine Cansiz: Dem Patriarchat ins Gesicht gespuckt

„Die Vertreterin der kurdischen Frauen in jener Zeit war Heval Sara. Ihre Haltung gegen die faschistische Mentalität und das männerdominierte System, das von Esat Oktay repräsentiert wurde, war eine Rebellion. Als Heval Sara Esat Oktay ins Gesicht spuckte und sagte, dass er sie niemals zur Kapitulation zwingen kann, hat sie gezeigt, dass die kurdischen Frauen aufgewacht sind und sich niemals wieder beugen werden.“