Nach US-Wahl: Die Zeichen für Rojava stehen auf Krieg
Noch während Erdoğan Trump zu seinem Wahlsieg gratulierte, wurde deutlich, dass er in Trump die Chance sieht, um grünes Licht für eine umfassende Invasion in Rojava zu erhalten.
Noch während Erdoğan Trump zu seinem Wahlsieg gratulierte, wurde deutlich, dass er in Trump die Chance sieht, um grünes Licht für eine umfassende Invasion in Rojava zu erhalten.
Während seiner Wahlkampagne kolportierte der nun gewählte Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, immer wieder, er würde die laufenden Kriege stoppen. Dies war Teil seiner Wahlpropaganda, um Zustimmung im Inland zu generieren. Was von dieser Rhetorik bleibt, ist abzuwarten. Eines ist jedoch klar, der türkische Regimechef Tayyip Erdoğan hat sich die Wahl von Trump ersehnt. Nicht in der Hoffnung, dass Trump irgendwelche Kriege beenden würde, ganz im Gegenteil, er erwartet von Trump, dass dieser ihm grünes Licht für eine Invasion in Nord- und Ostsyrien gibt, damit er neue Gebiete besetzen kann. Erdoğan stellt sich in Bezug auf den palästinensisch-israelischen und russisch-ukrainischen Krieg als Friedensbringer dar. Aber dabei geht es um etwas anderes: Sein Engagement für Frieden ist an die Bedingung geknüpft, dass er freie Fahrt für seine eigenen Kriegspläne gegen die Kurd:innen bekommt. In seiner Vorstellung von der Weltordnung gibt es keine Kurd:innen, er denkt nicht einmal über Frieden oder humanitäre Beziehungen nach, denn er ist darauf aus, sie aus der Geschichte auszulöschen.
Der noch amtierende US-Präsident J. Biden hatte Erdoğan nicht viel Ansehen gegeben und ihn während seiner Amtszeit nicht in die USA eingeladen. Zusammen mit der NATO unterstützten die USA zwar den Vernichtungskrieg der Türkei gegen die PKK, aber die US-Administration unterstützte keine vollständige Invasion in Rojava. Die Regierung der Demokraten hat Erdoğans Bombardierungen von Wohngebieten und seine Morde und Massaker an der Zivilbevölkerung in Rojava weder verurteilt noch bekämpft. Sie zog es vor, die Kurd:innen in Abhängigkeit und ihre Beziehungen zur Türkei im Gleichgewicht zu halten. Bereits als Erdoğan Trump am Tag seiner Wahl gratulierte, begann er über die Kurden und die YPG zu verhandeln. So gab der türkische Diktator bekannt, dass er Trump direkt nach der Wahl angerufen habe und von ihm die „Einstellung der Unterstützung der YPG“ verlangt habe. Direkt nach der Wahl Trumps kündigte Erdoğan an, sich für einen Rückzug der USA aus Syrien einzusetzen und seinen Plan einer 30 bis 40 Kilometer breiten Besatzungszone in Syrien zu verwirklichen. Darüber hinaus sollen türkische Truppen weiterhin militärisch in Syrien agieren. Während seiner ersten Amtsperiode hatte Trump 2018 den Rückzug aus Syrien angekündigt und behauptet, der Kampf gegen den IS sei abgeschlossen. De facto will der türkische Regimechef von Trump grünes Licht für die vollständige Liquidierung der selbstverwalteten Regionen in Nord- und Ostsyrien als ersten Schritt zu einer Annexion großer Teile Syriens.
In der von Erdoğan als „Terrorkorridor“ und „Terroristan“ bezeichneten Region leben Kurd:innen. Die kurdischen Siedlungsgebiete befinden sich in der Regel in dem an die Türkei angrenzenden Gebiet. Das Ziel der Türkei ist es, die kurdische Bevölkerung aus dieser Region zu vertreiben und die Existenz von Rojava zu beenden. Durch sogenannte ethnische Säuberungen soll die Region entkurdisiert werden. Was das bedeutet, ist bereits jetzt in den besetzten Gebieten um Efrîn und Serêkaniyê zu sehen. In Efrîn wurde die demografische Struktur durch die Besatzungsmacht vollkommen verändert. Die ursprüngliche Bevölkerung wurde zum größten Teil vertrieben und türkeitreue und islamistische Gruppen und ihre Angehörigen angesiedelt. Vor der Invasion lebten in Efrîn zu 90 bis 95 Prozent Kurdinnen und Kurden, seitdem sank der Anteil an Kurd:innen auf 22 bis 15 Prozent, mit fallender Tendenz. In Serêkaniyê gibt es keine Kurd:innen mehr. An anderen Orten werden die wenigen verbliebenen Kurd:innen wie Gefangene behandelt. Wenn es um Kurd:innen geht, dann ist die Erdoğans Sprache toxisch. Sie spiegelt eine auf Gewalt und Vernichtung ausgerichtete Geisteshaltung wider. Für Kriege in weit entfernten Gegenden spricht er von Lösungen durch Verhandlungen, aber wenn es um die Kurd:innen geht, agiert er ausschließlich mit dem Terrorbegriff. Er presst eine seit über hundert Jahren andauernde historische Frage in das Terrorframing und versucht, dieses Bild nicht nur der Türkei, sondern auch der Welt aufzuzwingen. Es soll verhindert werden, dass über die kurdische Frage überhaupt gesprochen wird. Obwohl zehntausende von Menschen gestorben sind, Tausende von Dörfern niedergebrannt und Millionen von Menschen von ihrem Land vertrieben wurden, wird die Wahrheit geleugnet. Es heißt nur: „Wir kämpfen gegen den Terror“.
Es ist klar, dass Erdoğan den Regierungswechsel in den USA nutzen will, um seine Angriffe auf Rojava zu verstärken. Die Türkei bereitet sich schon seit langem auf einen Krieg vor. Sie bildet Zehntausende von bewaffneten Kräften aus, die in den besetzten Gebieten rekrutiert wurden. Sie warten nur auf den Marschbefehl. Vor kurzem wurden die Anführer dieser Söldnergruppen nach Hewlêr (Erbil) in Südkurdistan gebracht. Sie haben sich dort mit der Barzanî-Administration getroffen. Diese spielt ebenfalls eine wichtige Rolle beim Vernichtungsplan gegen Rojava. Denn für die Einkreisung und einen Mehrfrontenangriff auf Rojava müssen auch die Kollaborateure der PDK in Südkurdistan aktiviert werden.
Im Moment stehen für Nord- und Ostsyrien alle Zeichen auf Krieg. Der türkische Staat hat eine Propagandakampagne begonnen und bereitet die Bevölkerung der Türkei auf einen massiven Kriegseinsatz vor. Auch die Menschen in Nord- und Ostsyrien müssen sich auf diese Realität einstellen. Das Gleiche gilt für die demokratische Öffentlichkeit weltweit. Ein permanenter internationaler Informationsfluss ist notwendig und die diplomatische Arbeit muss intensiviert werden. Die Selbstverwaltung muss sich entsprechend dieser Kriegsrealität positionieren und ohne Pause ihre Arbeit fortsetzen.