Mord an Ghassemlou seit 31 Jahren ungesühnt

Vor 31 Jahren wurde der kurdische Politiker und Generalsekretär der PDK-Iran, Abdul Rahman Ghassemlou, gemeinsam mit zwei Begleitern mitten in Wien von einem Killerkommando des iranischen Regimes erschossen. Der Dreifachmord bleibt bis heute ungesühnt.

Auf den Tag genau vor 31 Jahren, am 13. Juli 1989, wurden Abdul Rahman Ghassemlou (Ebdurehman Qasimlo, kurdischer Politiker und damaliger Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistan – Iran (PDK-I, auch KDP-I), sein Stellvertreter in Europa Abdullah Ghaderi-Azar (Abdullah Kadir Azeri) und der in Österreich eingebürgerte kurdische Lobbyist Fadel Rasoul (Fadil Resul) in Wien bei einem Treffen mit Abgesandten des iranischen Regimes ermordet. Die Tatverdächtigen tauchten in der iranischen Botschaft unter und konnten nach Interventionen der iranischen Führung unbehelligt ausreisen. Die österreichische Polizei eskortierte sogar einen von ihnen zum Flughafen Schwechat.

Abdul Rahman Ghassemlou wurde 1973 auf dem dritten Kongress der PDK-I zu deren Präsident gewählt. Unter dem Motto „Demokratie für den Iran, Autonomie für Kurdistan“ unterstützte er 1979 die Revolution des schiitischen Geistlichen Ajatollah Chomeini gegen Schah Mohammed Reza Pahlavi – in der Hoffnung, die kurdische Bevölkerung im Iran würde nach dem Sturz des Schah-Regimes mehr Rechte erhalten. Im Sommer 1978 hatte Ghassemlou, als er vom Wandel im Iran hörte, mehrere Male Chomeini in dessen Pariser Wohnung besucht. Zehn Tage, nachdem ein Flugzeug am 1. Februar 1979 von Paris aus gestartet war und Chomeini nach Teheran brachte, rief der Ajatollah die Revolution aus und richtete an die Kurden die Worte: „Wir werden uns auch mit euch treffen.“

Doch die neuen Herren des Iran dachten nicht daran, die kurdischen Autonomiebestrebungen zu erfüllen. Schon am 17. August 1979 erklärte Chomenei den Sohn einer assyrischen Christen und eines feudalen sunnitischen Kurden Abdul Rahman Ghassemlou zum „Feind Allahs“. Die Folge war ein langer und blutiger Krieg zwischen der PDK-I und dem Regime.

Bis 1984 starben knapp 10.000 Peschmerga

Der 1980 beginnende Iran-Irak-Krieg hatte das Schicksal der ostkurdischen Bewegung geändert. Bis 1984 hatten etwa 10.000 Peschmerga ihr Leben verloren. Ghassemlou zog das Hauptquartier in die an der süd- und ostkurdischen Grenze liegenden Qendîl-Berge zurück. Unter der Vermittlung von Celal Talabani von der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) fanden in der zweiten Hälfte der 80er Jahre wieder Gespräche mit Teheran statt. Die Parteien trafen sich zum ersten Mal am 30. Dezember 1988 im Haus des YNK-Mitglieds Xebat Maruf in Wien. Bei den zweitägigen Verhandlungen bestand Ghassemlou auf der Forderung nach Bildung in kurdischer Muttersprache und Kurdisch als zweiter Amtssprache. Die Verhandlungen gingen ohne Resultat auseinander. Als Chomeini starb und Rafsandschani ihn ersetzte, bemühte sich Ghassemlou um neue Verhandlungen.

Diesmal setzte sich der Lobbyist Fadel Rasoul für ein Zusammentreffen ein und arrangierte die Gespräche mit kurdischen Führern in Wien. Eigentlich hatte Ghassemlou auf Paris als Ort des Treffens bestanden. Die Iraner bestanden jedoch auf Wien oder Berlin. Paris schlossen sie als Treffpunkt aus. So landete Ghassemlous Flugzeug am 13. Juli in Österreichs Hauptstadt.

Hinterhalt in Wohnung

Die Verhandlungen mit den Iranern Mohammad Jafari Sahraroudi, Mustafa Ajvadi (auch Hadschi Mostafawi) und Amir Mansour Bozorgian fanden in einer Wohnung in der Linken Bahngasse im 3. Bezirk von Wien statt. Die Gespräche wurden auf Band aufgenommen. Darauf sollte später zu hören sein, wie Ghassemlou sagt: „Ich werde mit leeren Händen zurückkehren und auch nicht sagen können, dass der Iran an der von ihm versprochenen Autonomie arbeitet.“ Inmitten der Unterredung wurden Ghassemlou und seine Begleiter von etlichen Kugeln durchsiebt. Währenddessen erlitt Sahraroudi eine Schußverletzung am Mund, vermutlich handelte es sich um einen Querschläger.

PDK-I-Europavertreter Abdullah Ghaderi-Azar (l.) und Dr. Abdul Rahman Ghassemlou

Als die ersten Polizeieinheiten in der in ein Blutbad verwandelten Wohnung eintrafen, rief Bozorgian der Polizei zu: „Sie haben auf meinen Freund geschossen, rettet ihn“. Die Verletzung von Sahraroudi hatte den ganzen Plan der Iraner umgeworfen. Die nächsten Tage verbrachte er unter Polizeischutz in einem Wiener Krankenhaus, wo er verhört wurde. Am 21. Juli verließ Sahraroudi die Klinik, begab sich in die iranische Botschaft und flog am folgenden Tag mit dem Iran-Air-Flug 722 aus Wien nach Teheran. Auch die anderen Tatverdächtigen konnten das Land ungehindert verlassen. Im Iran wurden sie wie Helden empfangen. Bozorgian erhielt nach seiner Rückkehr den Rang eines Generals und wurde zum Leiter des Stützpunkts der Revolutionsgarden in Ûrmiye, der Geburtsstadt von Ghassemlou, ernannt. Sahraroudi wurde nach seinem Dienst in Wien zum Kommandanten der Al-Quds-Einheiten für Auslandsoperationen des Irans. Im August 1996 leitete er die Operation gegen das in der Gemeinde Koy in Südkurdistan gelegene Hauptquartier der PDK-I. Vermutlich war auch der frühere iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad an der Ermordung der drei kurdischen Politiker in Wien beteiligt.

Unbehelligte Reisen durch Europa

Sowohl Sahraroudi als auch Bozorgian waren auch nach den Attentaten von Wien weiterhin unbehelligt in Europa unterwegs. So reiste Sahraroudi im Oktober 2013 von der Schweiz nach Kroatien. Obwohl es einen internationalen Haftbefehl gegen ihn gibt, lieferten beide Länder ihn nicht an Österreich aus. 2014 wurde Sahraroudi in der Hauptstadt der südkurdischen Autonomieregion Hewlêr (Erbil) sogar auf dem roten Teppich empfangen. Er nahm am Besuch des iranischen Parlamentspräsidenten Ali Laricani auf Einladung der Barzanî-Partei PDK-Irak teil.

Ghassemlou-Nachfolger ebenfalls Opfer eines Anschlags

1992 fiel im Berliner Restaurant Mykonos auch Abdul Rahman Ghassemlous Nachfolger Sadegh Sharafkandi einem Anschlag zum Opfer. Anders als in Österreich begann die Justiz in Deutschland den Fall vor Gericht zu bringen. Zwei Attentäter wurden verurteilt. Das Gericht stellte fest, dass der Mordauftrag von Irans Regime kam.

„Über das Schicksal der Kurden wird nicht in Washington, Paris, London oder Moskau entschieden. Die Kurden bestimmen ihr Schicksal selbst und zwar in Kurdistan.“ - Abdul Rahman Ghassemlou bei einer Rede im Jahr 1979 in Mahabad