Internationalismus, Newroz und der Sieg über den IS

Wir veröffentlichen einen Gastbeitrag von Ella Bremer, einer Aktivistin der feministischen Kampagne „Gemeinsam kämpfen – für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“.

Wir veröffentlichen einen Gastbeitrag von Ella Bremer, einer Aktivistin der feministischen Kampagne „Gemeinsam kämpfen – für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“. Die Kampagne startete am 25. November 2017, unter anderem mit Demonstrationen in Hamburg, Berlin und Celle. Ziel der Kampagne ist es, das Wissen über die Revolution in Rojava, der Demokratischen Föderation Nordsyrien, als Frauenrevolution zu verbreiten.

„An uns alle da draußen,

an uns (radikale) Linke, Internationalist_innen, Antikapitalist_innen,

an die, die an eine freie Gesellschaft glauben und sich für diese einsetzen:

Pünktlich zu Newroz haben die QSD die militärische Niederlage des IS verkündet. Dort, wo gestern noch schwarze Flaggen wehten, sind es jetzt YPJ-Fahnen.

Das bedeutet nicht, dass Daesh ideologisch besiegt ist, aber es bedeutet sehr viel für die Menschen in der Region - gerade erst jährte sich der Beginn des Syrien-Krieges zum achten Mal, heute können zum Beispiel Menschen in Raqqa zum ersten Mal seit langem wieder ohne Ängste Newroz begehen, viele ezidische Familien begegnen sich nach Jahren der Gefangenschaft, Folter und Unwissenheit wieder, Tausende Frauen und Mädchen wurden aus den Händen von Daesh befreit.

In ganz Kurdistan sind Tausende und Hunderttausende auf den Straßen – überall dort, wo diese Menschen auch immer wieder seit Jahren, Jahrhunderten mit Krieg und der Drohung nach Vernichtung überzogen wurden und werden. Menschen feiern in Kobane, Cizre, Afrin und Baghouz, die Bilder erzeugen Gänsehaut, bedeuten Hoffnung und Zuversicht und den Glauben an das, was die Menschen dort miteinander über alle Unterschiede und Spaltungsversuche hinweg erreicht haben.

Und wir?

Auch für uns hat dieser Sieg eine Bedeutung. Es haben Internationalist_innen dort mitgekämpft, die Pressearbeiten gemacht, in der Kommune kurdisch gelernt, sich gebildet und Aktivist_innen aus anderen Regionen der Welt und deren Kämpfe kennen gelernt, dass was sie dort gelernt haben wieder nach Hause zurück getragen, den Samen des Demokratischen Konföderalismus auch hier gesät.

Die, die dort kämpfen, kämpfen auch für und mit uns. Und kämpfen wir auch mit ihnen? Sind wir tatsächlich vom Glauben an eine befreite Gesellschaft überzeugt oder tun wir eher so als ob? Warum haben wir hier nicht die Basis an einem solchen Abend an einem solch historischen Tag mit einer beeindruckenden Menge an Menschen selbstverständlich auf die Straße zu gehen und „Danke YPG/YPJ, danke SDF“ zu sagen?

Immer wieder versuchen wir hier in der kapitalistischen Metropole den leichten Weg zu gehen, wir wollen uns offen halten, uns nicht festlegen auf eine Ideologie, einen gemeinsamen Weg. Das führt dazu, dass wir keinerlei Strategie entwickeln, keine gemeinsame Stärke. Wir definieren uns über Widersprüche statt über Gemeinsamkeiten – während in Kurdistan und Syrien Tausende sterben und damit auch die Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in Europa minimieren, spalten wir uns immer wieder.

Seit Kobanê befinden wir uns einer neuen Phase der internationalistischen Solidarität, die eine Gemeinsamkeit in der praktischen Utopie in Kurdistan findet. Was brauchen wir und wie können wir uns mehr miteinander verbinden, damit es möglich ist, dieses Newroz auch als unsren und vor allem als gemeinsamen Aufbruch zu verstehen und zu fühlen?

Lasst uns weiter gemeinsam nach Antworten suchen, eine Alternative dazu gibt es nicht und wir werden es nicht bereuen.

Newroz pîroz be!“


Anmerkung der Redaktion: Bisher gibt es noch keine eindeutige offizielle Meldung der Demokratischen Kräfte Syriens zum Sieg über den IS und noch immer haben sich nicht alle Dschihadisten ergeben.