„Erinnern heißt Kämpfen“ – Zum Todestag von Ulrike Meinhof
Vor 43 Jahren ist Ulrike Meinhof gestorben. Die internationalistische Kommune Rojava erinnert an sie: „Der Geist von Ulrike Meinhof lebt im antifaschistischen Kampf weiter.“
Vor 43 Jahren ist Ulrike Meinhof gestorben. Die internationalistische Kommune Rojava erinnert an sie: „Der Geist von Ulrike Meinhof lebt im antifaschistischen Kampf weiter.“
Die internationalistische Kommune Rojava veröffentlicht in diesem Monat eine Reihe von Artikeln, die sich auf die Geschichte revolutionärer Menschen und ihre Kämpfe beziehen. „Die Geschichten und Kämpfe von Bobby Sands und Ulrike Meinhof, Hakî Karer und Deniz Gezmiş haben noch heute eine besondere Bedeutung für uns und revolutionäre Perspektiven für die Zukunft. Als Internationalist*innen tragen wir ihr Erbe und ihren Kampf weiter fort, bis der Erfolg unser ist“, schreibt die Kommune.
In dem ersten Artikel geht es um Ulrike Meinhof, die am 9. Mai 1976 im Gefängnis Stuttgart-Stammheim ermordet worden ist:
„Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen), das Gefühl, die Zelle fährt. Man wacht auf, macht die Augen auf: die Zelle fährt; nachmittags, wenn die Sonne reinscheint, bleibt sie plötzlich stehen. Man kann das Gefühl des Fahrens nicht absetzen. Rasende Agressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewusstsein, dass man keine Überlebenschance hat; völliges Scheitern, das zu vermitteln. Der Gefangene, erwartet man, verliert nun die Selbstkontrolle. Quatscht“.
Dies waren Worte, die Ulrike Meinhof schrieb. Es waren die Worte, mit welchen sie versuchte zu beschreiben, was sie fühlte in der totalen Isolation der psychiatrischen Frauenabteilung des Gefängnisses Köln-Ossendorf.
Aus den Worten Ulrikes sprechen die Brutalität des Systems gegen die politischen Gefangenen und gleichzeitig der Wille zum Leben, zum Widerstand gegen den Versuch ihrer psychischen Vernichtung. In der Gefangenschaft, isoliert und entwaffnet, führten sie diesen Widerstand mit allem, was sie hatten – ihrer Identität Mensch, ihrem Leben. „In der Isolation“, so erklärte die RAF zum dritten der insgesamt elf Hungerstreiks, ist dieser „unsere einzige Möglichkeit zu kollektivem Widerstand gegen die Counterstrategie des Imperialismus […] ist er unsere einzige Möglichkeit, unsere physischen und geistigen Kräfte, unsere Identität als Menschen einzusetzen, um den Stein, den der Staat der herrschenden Klasse gegen uns aufgehoben hat, ihm auf seine eigenen Füße fallen zu lassen“.
Und er fiel auf ihre Füße, denn der Widerstand konnte trotz Folter, Gewalt, Verrat und Korruption nicht gebrochen werden. Nur die physische Vernichtung der gefangenen führenden Militanten der RAF blieb dem Staat als Mittel übrig. Ulrike schrieb:
„Wenn unsere Identität unser politisches Bewusstsein ist, dessen Inhalt Kollektivität (Guerilla, bewaffneter Kampf) ist, dann können sie das durch Isolation nicht rausreißen ohne zu töten“.
In der Nacht auf den 9. Mai 1976 wurde Ulrike Meinhof im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Stammheim-Stuttgart ermordet.
Ulrike und die ermordeten Revolutionär*innen der ersten Generation der Rote Armee Fraktion, standen und stehen für ein Projekt der Befreiung, welches in Zeiten imperialistischer Kriege gegen antikoloniale Befreiungsbewegungen und innerdeutscher Weiterführung des Faschismus einen Bruch mit dem System aufmachte. Dieser Kampf kannte nur einen Weg: in die gesellschaftliche Revolution. Nur die Vernichtung würde diesen Widerstand brechen können.
„Wir können nur unterdrückt werden, wenn wir aufhören zu denken und aufhören zu kämpfen. Menschen, die sich weigern, den Kampf zu beenden, können nicht unterdrückt werden – sie gewinnen entweder oder sie sterben, anstatt zu verlieren und zu sterben“.
Und auch wenn viele physisch vernichtet wurden, in den Knästen ermordet, auf den Straßen von hinten erschossen, im Kampf gefallen, haben sie nicht verloren, denn ihr Kampf lebt in unseren Erinnerungen weiter. Die RAF, Bewegung 2 Juni, Revolutionäre Zellen und die Rote Zora sind, neben vielen tausenden weltweit, zu Gliedern in der Kette der Geschichte des Widerstands der Gesellschaften gegen Unterdrückung und Ausbeutung geworden. Für uns sind sie Teil des Erbes, welches wir weiterführen.
Diesen Revolutionär*innen und dem Projekt „Stadtguerilla“ zu gedenken, bedeutet für uns zu erinnern, wofür sie standen: Für einen internationalistischen Antiimperialismus, welcher die Rolle der Bundesrepublik und der NATO auf schärfste kritisierte und bekämpfte. Für einen Antifaschismus, welcher die Kontinuität vom Nationalsozialismus in der BRD nicht hinnahm. Für eine soziale Revolution der Marginalisierten, Weggesperrten und Ausgebeuteten. Einer Befreiung von einem System, welches die Menschen täglich zurichtet, mit Gewalt und Kriegen imperialistische Interessen gegen die Völker durchsetzt und nicht davor zurückschreckt, diese Politik in Form des offenen Faschismus weiter fortzuführen, in der Reaktion auf die Revolution.
Erinnern heißt kämpfen!
Nur im Kampf lebt unsere Geschichte des Aufstands, der Revolte, der Revolution weiter. Nur im Kampf können wir unseren Gefallenen die Ehre erweisen, welche ihnen gerecht wird. Nur im Kampf können wir von ihnen lernen, begreifen, wie sie dachten und fühlten, was sie wünschten und träumten. Es ist unsere Pflicht, ihre Hoffnung, die Ziele, für welche sie kämpften, weiter zu führen und nicht zuletzt Wirklichkeit werden zu lassen.
Heute, 43 Jahre nach dem Mord in Stammheim, lebt der Geist von Ulrike Meinhof und denen, die eine klare Trennlinie zwischen sich und dem System gezogen haben, im antifaschistischen Kampf weiter. Es ist der Geist der internationalen Solidarität und die Überzeugung der eigenen Verantwortung, aus welchem sich nicht zuletzt das Bewusstsein der Notwendigkeit des weltweiten Kampfes um Befreiung entwickelt, von Deutschland bis Kurdistan, von Venezuela bis zum Sudan.
In Gedenken an die Revolutionär*innen der Stadtguerilla, Ulrike Meinhof, Petra Schelm, Georg von Rauch, Thomas Weißbecker, Holger Meins, Ulrich Wessel, Siegfried Hausner, Werner Sauber, Katharina Hammerschmidt, Wilfried Böse, Brigitte Kuhlmann, Jan-Carl Raspe, Andreas Baader, Ingrid Schubert, Peter Willy Stoll, Michael Knoll, Elisabeth von Dyck, Sigurd Debus, Juliane Plambeck, Wolfgang Beer, Ina Siepmann, Gerd Albartus, Wolfgang Grams, und Johannes Timme sagen wir:
Nieder mit dem Faschismus, nieder mit dem Imperialismus. Die Revolution wird siegen. Hoch die internationale Solidarität!