Spuren von Sakine Cansız in Rojava

Sakine Cansız hat in ihrem Leben unauslöschliche Spuren hinterlassen, so auch in Rojava. Heute folgen Zehntausende Frauen diesen Spuren. Ein Ehepaar aus Dêrik erzählt von einer Begegnung im Jahr 1992.

Revolutionäre Menschen hinterlassen unauslöschliche Spuren auf ihrem Weg. Eine dieser Revolutionärinnen war Sakine Cansız (Sara), die heute vor acht Jahren zusammen mit zwei Weggefährtinnen vom türkischen Geheimdienst MIT in Paris ermordet wurde. Ihre Spuren beginnen in ihrem Geburtsort Dersim und führen über den Kerker von Amed über Rojava und die Berge Kurdistans bis nach Europa. Heute folgen Zehntausende Frauen diesen Spuren.

Zwei Menschen, bei denen Sakine Cansız in Rojava einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen hat, sind das Ehepaar Diya Ciwan (Sumeya Belto) und Behzat Mihemed İsmail aus dem Dorf Til Cemal bei Dêrik. Auf dem Weg in die Berge war Sakine Cansız neun Tage bei ihnen zu Gast.

Diya Ciwan zeigt die damals aufgenommenen Fotos erstmalig ANF. Die Fotos sind in einem Tuch eingewickelt. Diya Ciwan holt sie wie einen sorgsam gehüteten Schatz hervor und sagt: „In ihren Augen habe ich die Liebe zu einem freien Kurdistan und freien Frauen gesehen.“

Ihr Mann Behzat erzählt von dem damaligen Besuch: „1992 kam eine große Gruppe von der Mahsum-Korkmaz-Akademie auf dem Weg in die Berge zu uns. Es waren siebzig oder achtzig Personen. Unter ihnen war auch Heval Sara. Wir kannten sie natürlich von den Geschichten über ihren Widerstand im Gefängnis von Amed, aber es war das erste Mal, dass wir sie persönlich sahen. Sie hatte schwere gesundheitliche Probleme. Im Kerker war sie schwer gefoltert worden und sie litt immer noch unter den Folgen.“

Die Muttersprache von Sakine Cansız war Kirmanckî (Zazakî), Behzat und Diya Ciwan sprachen Kurmancî. Daher kam es zu Verständigungsschwierigkeiten, sagt Behzat: „Aber wir verstanden trotzdem, wie sehr sie der kurdischen Sache und Ideologie verbunden ist. Sie blieb neun Tage und neun Nächte bei uns. Als sie kam, freuten wir uns sehr, genauso traurig waren wir, als sie wieder ging. Aber wir verstanden, dass es sein musste. Als sie in Paris gefallen ist, haben wir einen unglaublichen Schmerz empfunden. Wir haben jedoch immer daran geglaubt, dass andere ihren Kampf fortsetzen und dieser Kampf siegreich sein wird.“

Diya Ciwan erzählt: „Als ich eines Tages am frühen Morgen Heval Sara in unserem Haus sah, habe ich mich als Frau sehr gefreut. Ich hatte eine kleine Tochter, sie hieß Fidan. Heval Sara hat sie ständig auf den Arm genommen und ist mit ihr durch das Zimmer gelaufen. Dieses Bild habe ich immer noch vor Augen, ich werde es niemals vergessen.“

Von einer Unterhaltung mit Sakine Cansız berichtet Diya Ciwan: „Einmal habe ich sie gefragt: ,Du bist so schön, warum hast du alles hinter dir gelassen und dir dieses schwere Leben ausgesucht?' Sie antwortete: ,Das schönste Leben ist ein freies kurdisches Leben. Solange wir nicht frei sind, kann es kein schönes Leben geben. Schönheit ist nur möglich, wenn wir in unserem Land, auf unserem Boden und in unseren Bergen frei leben können.' Diese Worte haben mich tief beeindruckt. In ihren Augen konnte ich ihren rebellischen Geist, ein freies Kurdistan und die Liebe zu freien Frauen sehen. Ich möchte ein weiteres Mal mein Wort geben, dass wir als Frauen ihren Spuren folgen werden. Im Moment gibt es Zehntausende Frauen, die ihren Weg weitergehen.“