Die Besetzung von Efrîn im historischen Kontext – Teil 2

Im zweiten Teil der Reihe „Die Besetzung von Efrîn im historischen Kontext“ wird die Politik der Türkei in dem schon seit über einem Jahr besetzten Dreieck Cerablus, Bab und Azaz im historischen Kontext diskutiert.

Der türkische Staat will sich die von ihm besetzten Regionen mit allen Mitteln der Annexion anzueignen. Seit Beginn des Syrienkrieges im Jahr 2011 versuchte die Türkei, den Krieg ihren Eigeninteressen entsprechend zu beeinflussen, unter anderem durch die massive Unterstützung von Milizen in der Region. Mit der Einmischung der Türkei wandelte sich die revolutionäre Erhebung der Völker Syriens in einen Verteilungskampf äußerer Mächte und die von der Türkei nach Syrien geschickten Milizen heizten den Konflikt immer weiter an. Später nahm dann die Türkei direkt am Krieg teil und versucht aktuell, das Iskenderun-Szenario zu wiederholen.

Der türkische Staat begann mit der Besetzung der Zentren der Region Şehba im Jahr 2016. Dabei ging es nicht nur darum, eine Verbindung der Kantone Rojavas zwischen Efrîn und Kobanê zu verhindern, sondern auch um die Türkisierung der Region. Viele Menschen aus der ursprünglichen Bevölkerung von Cerablus, Bab, Azaz und Raî mussten ihre Städte verlassen und wurden vertrieben. Wie einst der Name der Region Iskenderun in Hatay geändert wurde, so begann der türkische Staat, diesen Zentren ebenfalls türkische Namen zu geben. Man ließ türkische Fahnen und Bilder Erdoğans aufhängen und fing damit an, in den Schulen auf Türkisch zu unterrichten. Die Türkei zielt darauf ab, auf diese Weise einen angeblichen türkischen Gürtel zu errichten und diese Städte dann offiziell an die Türkei anzubinden.

Außerdem wird auch nicht vor der Assimilierung Hunderttausender aus Syrien in die Türkei geflüchteter Menschen zurückgeschreckt, um diese anschließend in den besetzten Gebieten anzusiedeln. So sind die Flüchtlinge in der Türkei dem nationalistisch-rassistisch aufgeladenen türkischen Lehrplan und dem Zwangsreligionsunterricht unterworfen.

Der türkische Staat hatte unter dem Vorwand der Sicherheit der türkischen Bevölkerung Iskenderun besetzt – nun wird die angebliche Bedrohung der turkmenischen Bevölkerung als Vorwand genutzt, um Nordsyrien zu besetzen. Der türkische Staat versucht die besetzten Gebiete wie in Iskenderun zu turkisieren.

In Bab, Cerablus und Azaz hat der türkische Staat 2016/17 mit der Veränderung der demografischen Struktur begonnen, indem die Lokalbevölkerung vertrieben und Turkmenen hauptsächlich aus dem Irak, aber auch aus anderen Regionen wie Zentralasien dort angesiedelt wurden.

Der türkische Staat hisste seine Fahnen und gab den Städten der Region türkische Namen. So wurde zum Beispiel Raî zu Çobanbey und Girê Eqîl zu Bülentbayrak. Die türkische Presse benutzt seitdem bewusst nur noch die türkischen Namen der Orte. Ein Berg bei Lazkiye wurde mit Beginn des Syrienkrieges zum „Turkmenen-Berg“ und der Kampf darum zum Kernthema des türkischen Faschismus. Auf diese Weise sollen türkische Ansprüche auf ganze Landstriche geltend gemacht werden.

In den Städten Cerablus und Bab wurden von Istanbuler AKP-Einrichtungen Bildungsinstitutionen eröffnet. Diese Akademien zielen auf die Türkisierung der Bevölkerung der Region ab. Außerdem werden in Azaz von der in Dschihadisten-Unterstützung verwickelten türkischen „Hilforganisation“ IHH und dem türkischen Bildungsministerium Türkischschulen eröffnet.

Die besetzten Städte Nordsyriens werden von türkischen Gouverneuren verwaltet und an allen Institutionen hängen türkische Fahnen und Bilder Erdoğans. Die Verwaltung durch türkische Gouverneure zeigt deutlich die Anbindung an Ankara. Hinzu kommen Dutzende Militärbasen und Kontrollpunkte, die der türkische Staat an der Grenze von Bab, Cerablus und Azaz errichtet hat. Mit diesen Schritten versucht das Erdoğan-Regime, die Städte zum türkischen Herrschaftsgebiet hinzuzufügen.

Die nächste Ausgabe der Serie wird sich mit der Ansiedlung von Uiguren in Idlib beschäftigen.

ANHA