Anlässlich des Todestages von Leslie Feinberg

Leslie Feinberg zählt neben Sylvia Rivera und Marsha P. Johnson zu einer der bekanntesten Figuren der US-amerikanischen Trans-Liberation- und LGBT-Bewegung. Am 15. November jährte sich ihr Todestag. Leo Norus nahm dies zum Anlass, Feinberg zu gedenken.

Am 15. November jährte sich der Todestag von Leslie Feinberg, welche 2014 nach langem Kampf im Alter von 65 Jahren an den Folgen einer Lyme-Borreliose und ihrer Co-Infektionen verstarb. Da Feinberg mich maßgeblich geprägt hat und meine Arbeiten beeinflusst, möchte ich ihren/seinen Todestag zum Anlass nehmen, ihrer zu gedenken.

Im Zuge meiner Recherche zur Geschichte nicht-binärer Geschlechtsidentitäten in Europa stieß ich 2018 auf Leslie Feinbergs Buch „Transgender Warriors - Making History From Joan of Arc to Dennis Rodman“, in welchem Feinberg aus nicht-binärer Perspektive Geschichtsschreibung infrage stellt und neu interpretiert. Dabei verbindet Feinberg immer auch die eigene Lebensgeschichte mit der „großen Geschichte“, schlägt Brücken zwischen dem „Privaten“ und „Politischem“ beziehungsweise löst diese Trennung durch eine sehr persönliche Schreibweise einfach auf.

„If we raise our voices together, we cannot be silenced. Let our solidarity thunder. Let our solidarity roar.“*

Leslie Feinberg zählt neben Sylvia Rivera und Marsha P. Johnson zu einer der bekanntesten Figuren der US-amerikanischen Trans-Liberation- und LGBT-Bewegung. Sie hatte und hat mit ihren Werken und Wirken großen Einfluss auf politische Bewegungen, Literatur und Theoriebildung. Dabei dachte Feinberg die verschiedenen Kämpfe gegen Militarismus, Kapitalismus, Patriarchat und rassistische Gewalt, gegen Gefängnisse und nicht zuletzt gegen Trans*Diskriminierung stets zusammen und brachte von Beginn an eine vielschichtige Perspektive ein.

Leslie Feinberg beim Boston Pride, 2006 |© Marilyn Humphries

Sie beschrieb sich selbst als anti-rassistisch weiß, der Arbeiter*innenklasse zugehörig, als transgender, säkulär jüdisch, lesbisch, weiblich und als revolutionär kommunistisch. Auf Englisch bevorzugte Feinberg die Pronomen she/zie und her/hir und vertrat eine vielschichtige Position in Bezug auf die Verwendung von Pronomen.

Sie starb zu Hause in Anwesenheit ihrer langjährigen Partnerin Minnie Bruce Pratt, welche in ihrem Nachruf schreibt: „Am Ende ihres Lebens sagte sie, sie sei niemals auf der Suche nach einem weit verbreiteten Sammelbegriff für Identitäten gewesen, geschweige denn einem Begriff, der Menschen unterdrückten Genders, Gender Ausdrucksformen oder Sexualitäten zusammenbringt und fügte hinzu, dass sie an das Recht auf Selbstbestimmung von Individuen, Communitys, Gruppen und Nationen glaubt“.

In den letzten Jahren vor ihrem Tod bloggte Feinberg über strukturelle Probleme des Gesundheitssystems und das Versagen der Medizin in Bezug auf Lyme-Borreliose unter dem Titel „Casualty of an Undeclared War Series“. Ihre Borreliose-Infektion hatte sie bereits seit den 70ern, doch aufgrund von Diskriminierung wegen ihrer transgender-Identität wurde ihre längst chronisch gewordene Infektion erst in den letzten acht Jahren ihres Lebens behandelt. Auf die Frage, warum sie ihre letzte Kraft auf dieses Projekt verwendet hat, antwortete sie mit einem Zitat von Ernesto „Che” Guevara:

„Auf die Gefahr hin, lächerlich zu sein, lassen Sie mich sagen, dass der wahre Revolutionär von einem großen Gefühl der Liebe geleitet wird. ... Wir müssen jeden Tag danach streben, dass diese Liebe zur lebendigen Menschheit in tatsächliche Taten verwandelt wird, in Taten, die als Vorbild dienen, als bewegende Kraft.“

Für mich stellen Feinbergs Arbeiten eine wichtige Grundlage dar, die nicht-binäre Geschichte Europas weiter zu erforschen, nicht-binäre Perspektiven auf Befreiung zu entwickeln und uns als trans* und nicht-binäre Personen in einer widerständigen Tradition zu verorten.

Leslie Feinbergs letzte Worten waren: „Remember me as a revolutionary communist.“

Und so werden wir sie in Erinnerung behalten.

*Zu Deutsch: „Wenn wir unsere Stimmen gemeinsam erheben, können wir nicht zum Schweigen gebracht werden. Lasst unsere Solidarität erdonnern. Lasst unsere Solidarität brüllen.“ Aus ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Ehrendoktor von der Starr King School for the Ministry für die Arbeiten im Bereich Transgender und soziales Engagement.

„Camp Trans“, Michigan, im August 1994: Riki Anne Wilchins, Leslie Feinberg und Minnie Bruce Pratt (vorne v.l.n.r.) |© LGBT-History-Archive


Über die Autorin: Leo Norus forscht und publiziert aus feministischer und nicht-binärer Perspektive zur Geschichte der Frühen Neuzeit. Schwerpunkte bilden dabei unter anderem Hexenverfolgungen und die gesellschaftliche Bedeutung nicht-binärer Geschlechtsentwürfe. Leo Norus ist Mutter einer sechsjährigen Tochter, arbeitet im Bereich der Heilpflanzenkunde und ist Teil des Jineolojî-Komitees Deutschland sowie der Initiative Geschichte und Widerstand.