13. November 1960 – Der Kinobrand von Amûdê

Am 13. November 1960 setzte vermutlich ein überhitzter Filmprojektor das einzige Kino im nordsyrischen Amûdê in Flammen, 282 Kinder verbrannten. Bis heute bildet der Brand eine offene Wunde im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung von Rojava.

Der 13. November 1960 hat sich tief ins kollektive Bewusstsein der kurdischen Bevölkerung in Nord- und Ostsyrien eingebrannt. An diesem Tag wurde im einzigen Kino der Stadt Amûdê, dem Filmhaus Şehrazad, ein ägyptischer Film mit dem Titel „Der Mitternachtsgeist” gezeigt – als Teil einer „Woche der Solidarität“ mit den Unabhängigkeitskämpfen Algeriens von Frankreich. Das syrische Regime zwang damals die Bevölkerung, Geld für die „algerischen Brüder” zu sammeln, und ordnete in Amûdê an, dass alle Schülerinnen und Schüler der dortigen Schulen das Kino besuchen mussten, um den genannten Film zu schauen. Der Film wurde mehrmals gezeigt und jedes Mal war das Kino überfüllt: Eigentlich hatte es 200 Sitzplätze, aber als das Feuer ausbrach, befanden sich mehr als 400 Kinder im Gebäude.

Ob der Brand vom Regime organisiert wurde – am Eingang des Kinos hielten zwei syrische Soldaten Wache –, oder eine Überhitzung durch Überbeanspruchung dazu führte, dass das Abspielgerät des Filmes plötzlich in Flammen stand, darüber wird noch heute spekuliert. Die Flammen griffen schnell auf den hölzernen Dachstuhl des Gebäudes über, der mit Stroh und Lehm bedeckt war. In kurzer Zeit brannte das gesamte Kino. Zu Beginn des Brandes brach Panik aus, die Kinder versuchten, die Ausgänge zu erreichen, es standen jedoch nur zwei enge Türen zur Verfügung, die sich lediglich nach innen öffnen ließen. 282 Kinder im Alter zwischen acht und vierzehn Jahren starben damals. Offizielle Stellen des Regimes sprechen von weit weniger Kindern, die in den Flammen umkamen. 

Gedenkgarten für die Opfer des Kinobrandes

Mohammad Saed Agha Daqqouri, ein Einwohner von Amûdê, der sich damals zufällig in der Nähe des brennenden Kinos aufhielt, konnte zwischen 20 und 30 Kinder aus dem Feuer befreien, bevor er selbst in den Flammen umkam. Ein Denkmal, das Jahre später errichtet wurde, um an die Katastrophe zu erinnern, erzählt auch seine Geschichte. Es wurde von Algerien als Ausdruck der Solidarität mit den Menschen in Amûdê gestiftet.

Die Tatsache, dass das Feuer damals in dem überfüllten Gebäude ausbrach, die Tragödie nie vom syrischen Regime untersucht wurde und Gedenkveranstaltungen jahrelang verboten worden sind, veranlasst Menschen bis heute anzunehmen, dass das Leben ihrer Kinder praktisch wertlos war. Denn kurdische Kultur und Sprache wurden seit Jahrzehnten in Syrien diskriminiert; politische Aktivitäten wurden mit Gewalt durch den Staat unterdrückt.

Denkmal für Mohammad Saed Agha Daqqouri

Daran erinnert auch die Demokratische Partei der Völker (HDP). In einer Botschaft im Gedenken an die toten Kinder von Amûdê, die der Exekutivrat am Freitag veröffentlichte, verweist die HDP auf einen systematischen Unterdrückungsmechanismus, der nach dem Kinobrand in Gang gesetzt worden sei. „Parallel zur Ablehnung einer Untersuchung und Aufarbeitung dieser großen menschlichen Tragödie wurde der Gesellschaft verboten, ihrer Kinder würdevoll zu gedenken. Die autoritäre Assimilationspolitik des syrischen Staates, die Tatsache, dass den Kurdinnen und Kurden in Rojava ihre eigene Identität abgesprochen wurde, veranschaulichte sich mit dem Kinobrand von Amûdê. Die Katastrophe sollte vergessen werden. Wir verurteilen dieses Massaker, das ein Ergebnis und ein Spiegelbild der Unterdrückung ist, der das kurdische Volk in Rojava ausgesetzt war, und fordern, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.”

Von Algerien gestiftetes Denkmal