Die Bewegung Freier Frauen (TJA) hat in Amed (tr. Diyarbakir) eine Erklärung für den 8. März, den Internationalen Frauentag, abgegeben. Viele Frauen nahmen an der Versammlung zur Bekanntgabe teil: „Wir erheben uns gegen Feminizide und begrüßen diesen 8. März mit dem Slogan ‚Wir demonstrieren für die Freiheit‘ mit unserer Wut und unserem Widerstand gegen das patriarchale System.“
Historischer Bezug des 8. März
Zu Beginn wurde Bezug auf den historischen Kampf von Textilarbeiterinnen, der mit der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit begann. Heute sei dieser ein Vorbild für den Widerstand von Frauen auf der ganzen Welt. „Diese Tradition, die durch die Arbeit Tausender Frauen von Clara bis Rosa entstanden ist, erleuchtet weiterhin den Weg des kurdischen Frauenfreiheitskampfes. Als kurdische Frauen haben wir diese Kultur des Widerstands wieder aufgebaut, die durch unsere Sprache, Kultur und Identität entstanden ist. Wir haben uns der Tradition des Widerstands angeschlossen, der von Tausenden kurdischen Frauen gelehrt wurde, von Leyla Qasim bis Zerife, Saray, Sêvê, Arîn und die aus der jahrtausendealten Kultur der Völker Kurdistans und des Nahen Ostens stammt“, hieß es in der Erklärung.
Mit „Jin Jiyan Azadî“ in Richtung Freiheit
Mit dem weltweit bekannt gewordenen kurdischen Slogan „Jin Jiyan Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) werde die Frauenbewegung den Kampf gegen Unterdrückung und Gewalt von Frauen sowie das kapitalistische koloniale System, weiterführen. Der Kampf gegen die kriegerische Politik der männlich dominierten Kräfte werde an diesem 8. März verstärkt. Die TJA grüßte alle Frauen, die sich dieser widersetzen.
Das kapitalistische System und die Kriege um Machtverteilung
In der Erklärung wurde ein Zusammenhang zwischen patriarchaler Mentalität und imperialer kapitalistischer Politik gezogen und klare Worte gegenüber der unmenschlichen Funktionsweise des Kapitalismus gefunden. Heute hätten sich der Kapitalismus und die Kriege um Verteilung und Macht in der ganzen Welt ausgebreitet. Besonders betroffen sei der Nahe Osten, in dem der Dritte Weltkrieg geführt werde, um die unmenschliche, sexistische und religiös-fundamentalistische Politik durchzusetzen. Die Existenz der Frauen werde nicht respektiert, wofür die sichtbarsten Beispiele das Taliban-Regime in Afghanistan und der Iran seien, in dem Todesurteile gegen Frauen verhängt werden, die für ihre Freiheit kämpfen. Auch die Einbeziehung von Mördern in die Führung der umstrittenen syrischen Übergangsregierung der dschihadistischen Organisation Hayat Tahrir al-Sham (HTS) zähle hierzu.
Ein neues Leben unter der Führung von Frauen
Der Tötung der Völker des Nahen Ostens im Namen imperialer Ausweitung eines mörderischen Systems durch frauenverachtende, nationalistische und fundamentalistische Politik, stünde die Alternative eines neuen Lebens unter der Führung von Frauen gegenüber. Die Motivation für die Frauenbewegung seien Persönlichkeiten wie Cihan Bilgin, die ermordet wurde, als sie furchtlos nach der Wahrheit suchte.
Der Kampf führte zum Beginn einer neuen Ära
In der Erklärung wurde ebenfalls Bezug auf den aktuellen Gesprächs-Prozess mit Abdullah Öcalan genommen. „Wir werden mit unserem demokratischen, ökologischen und frauenbefreienden Paradigma, das Herr Abdullah Öcalan der ganzen Welt, insbesondere dem Nahen Osten, vorgestellt hat, nach Freiheit rufen! In einer Zeit, in der Krieg, Wirtschaftskrise und Massaker an Frauen an allen Fronten andauern, hat durch den Kampf der Kurd:innen und der demokratischen Kräften für die Freiheit Abdullah Öcalans eine neue Ära begonnen“, bewertete die Frauenbewegung die aktuellen Geschehnisse.
Forderung nach physischer Freiheit Öcalans
Der 26-jährige Widerstand Öcalans auf Imrali zusammen mit dem Widerstand und dem Kampf der Gesellschaft und der Frauen, gebe große Moral und Motivation, die Arbeit für die Schaffung eines Lebens in Freiheit voranzutreiben. Die Frauenbewegung kündigte an, eine führende Kraft für eine friedliche Gesellschaft sein zu wollen. Gleichzeitig werde sie sich weiterhin für die physische Freiheit von Abdullah Öcalan einsetzen.
Die patriarchale Mentalität brechen
„An diesem 8. März werden wir mit unserem Glauben an das Paradigma der Frauenbefreiung gegen die Ermordung von Frauen überall auf der Welt aufstehen“, hieß es kämpferisch in der Erklärung. Die vorherrschende toxische männliche Mentalität versuche seit Jahrtausenden, das Wissen, die Arbeit, die Körper und den Willen der Frauen zu kontrollieren. Auch in der heutigen Zeit würden in diesem Bewusstsein männliche Täter belohnt und Gewalt an Frauen durch Straflosigkeit legitimiert.
Erschreckende Realität der Feminizide
Insbesondere junge kurdische Frauen müssten vor im Namen der „Liebe“ verübten Gewalttaten sowie den Machenschaften von Prostitutionsringen und Drogenhandel geschützt werden. Frauen würden immer wieder getötet und verschleppt. Die TJA nannte in ihrer Erklärung die Namen von Gülistan Doku, Rojin Kabaiş und Pinar Gültekin, und verwies mit ihnen auf die Dutzenden von dieser Mentalität betroffenen jungen Frauen, deren Namen nicht aufgezählt werden könnten. Die Frauenbewegung gab an, dass 394 Frauen im Jahr 2024 durch patriarchale Gewalt ermordet wurden und zwanzig Frauen, trotz Anordnungen, ohne Schutz blieben. Außerdem seien 111 Frauen getötet worden, weil sie versucht hätten, sich von ihren Männern scheiden zu lassen.
AKP mitschuldig an der Ausbreitung toxischer Männlichkeit
Die zunehmende Gewalt gegen Frauen in der Türkei habe die AKP dazu veranlasst, das Jahr 2025 zum „Jahr der Familie“ zu erklären. Laut der TJA rufe die Partei Frauen dazu auf, ihre Rolle als Mütter, Ehefrauen und Hausfrauen wahrzunehmen. Sie lege damit den Grundstein für die Entwicklung einer toxischen Männlichkeit und sehe in der Fortsetzung der Versklavung der Frau das Überleben und die Zukunft des Staates.
Die Demokratisierung der Familie
„Als kurdische Frauen werden wir uns gegen Sklaverei, Zwangsarbeit sowie gegen die Rechtfertigung von Gewalt und Ungleichheit stellen. Wir kämpfen für die Demokratisierung der Familie, in der Frauen nicht ermordet werden, sondern in der ein gemeinsames und gleichberechtigtes Leben der Geschlechter das Grundprinzip ist“, stellte die Frauenbewegung klar.
Gewalt an Kindern
In der Erklärung wurde auch die Gewalt angesprochen, die sich in der sich verschärfenden sozialen und politischen Krise gegen Kinder wende. Kinder seien von der Gewalt mit am stärksten betroffen. Dies werde an den Schicksalen der Kleinkinder Narin Güran und Sîla sichtbar, deren Verschwinden zuletzt in den türkischen und kurdischen Medien öffentlich verfolgt wurde. Kinder würden in der krisenhaften sozialen und ökonomischen Situation zur Zielscheibe von Gewalt. Die Verbrechen an Kindern wurden von der Frauenbewegung als das Ergebnis einer vorherrschenden patriarchalen Mentalität eingeordnet.
Ökonomische Schieflage
Frauen, die vor Tausenden von Jahren die Gesellschaft mit ihrer Arbeit ernährten, seien heute von Ausbeutung und Armut betroffen. Millionen von Frauen leisteten mit der Pflege von Kranken, Alten, Behinderten und Kindern unsichtbare Hausarbeit und würden aus dem Erwerbsleben gedrängt. Die staatliche Politik sei dabei ein Grundpfeiler dieser Entwicklung. Durch ihr Wirken werden eine Gesellschaftsstruktur aufgebaut, die nicht auf dem Prinzip der Gleichheit, sondern auf einer Kultur der Wohltätigkeit beruht. Weiterhin werde Tag für Tag die Natur und damit die Grundlage des Lebens zerstört.
„Ökonomie in Einklang mit der Natur“
Die Erklärung stellte eine alternative Sichtweise auf Ökonomie vor: „In der Ökonomie geht es darum, durch freie und gleiche Produktion und Arbeitsteilung ein Leben im Einklang mit der Natur aufrechtzuerhalten. Wir werden eine Politik umsetzen, die die Verbindung zur Natur und dem Land wiederherstellt und die Wirtschaft in den Dienst der Gesellschaft stellt. Trotz kolonialer Plünderung und Zwangsverwaltungen unserer Städte, werden wir die Wirtschaft in unseren Regionen unter der Führung von Frauen entwickeln.“
Frauen sind Vorreiterinnen im Aufbau eines freien Lebens
In der Erklärung hoben die Sprecherinnen die Vorreiterinnenrolle der Frauen bei der Schaffung eines Lebens in Würde und Frieden, gegen die Politik des Krieges, der Besatzung, der Verfolgung von ethnischen und kulturellen gesellschaftlichen Gruppen hervor. Während die toxische Männlichkeit der Welt Schaden zufüge, sei der Kampf der Frauen, ihre Organisation und ihr Wille grundlegend dafür, ein freies Leben aufzubauen.
Aufruf zum 8. März
Die Frauenbewegung rief alle Frauen dazu auf, am 8. März auf die Straße zu gehen und ihre Stimme für Widerstand, Frieden und Solidarität zu erheben: „Bis in dieser Region der Frieden hergestellt ist, bis unsere Organisation zu unserer Freiheit wird, bis nicht eine einzige Frau und kein einziges Kind ermordet mehr werden, werden wir auf der Straße sein. An diesem 8. März verstärken wir unsere Stimmen, Worte und Taten und schreiten in Richtung Freiheit, bis wir unsere Begeisterung für den Widerstand auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgeweitet haben.“
Die Rede schloss mit den Rufen: „Wir erheben uns gegen den Völkermord an Frauen und wenden uns der Freiheit zu! Es lebe die Frauensolidarität! Frau, Leben, Freiheit!“