Terrorverdacht: Sechs kurdische Aktivistinnen in Izmir verhaftet

Im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gewinnt der repressive Kurs gegen kurdische Strukturen in der Türkei weiter an Schärfe. In Izmir sind sechs Aktivistinnen der kurdischen Frauenbewegung unter Terrorvorwürfen verhaftet worden.

Mit dem Näherrücken der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen verschärft der türkische Staat seinen repressiven Kurs gegen die demokratische Opposition. Im besonderen Fokus steht derzeit die kurdische Frauenbefreiungsbewegung, die zu den dynamischsten und organisiertesten Kräften im Land gehört. Sechs ihrer Aktivistinnen wurden nun in der westtürkischen Küstenmetropole Izmir verhaftet. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“.

Bei den Betroffenen handelt es sich um Frauen, die sich seit Jahren aktiv für einen Demokratisierungsprozess in der Türkei einsetzen: Idil Uğurlu, Mitglied im Exekutivrat der Demokratischen Partei der Völker (HDP); Behiye Yalçın, Sprecherin der Initiative der Friedensmütter in Izmir; Berfin Çiçek vom Jugendrat der HDP sowie die Aktivistinnen der Bewegung freier Frauen (TJA) Hayat Izgi, Newroz Çelik und Selma Demir. Sie wurden am Mittwoch bei überfallartigen Razzien festgenommen und auf das Dezernat für Terrorbekämpfung der türkischen Polizei (TEM) gebracht.

Die Begründung für das Vorgehen gegen die Aktivistinnen war zunächst nicht bekannt, da ein 24-stündiges Anwaltsverbot angeordnet wurde. Zudem wurde die Ermittlungsakte unter Geheimhaltung gestellt. Zur Argumentation der Verfügung hieß es, ein persönlicher Kontakt zwischen „den Verdächtigen und juristischen Personen sowie die Berechtigung, den Inhalt der Akte zu prüfen oder Kopien der Dokumente anzufertigen“, könnte den Zweck der Ermittlungen gefährden. Berfin Çiçek wurde bereits am Donnerstagabend an das Gericht überstellt und in aller Eile verhaftet.

Berfin Çiçek

Bei der richterlichen Anhörung vor der Strafabteilung des Amtsgerichts Izmir wurden am Freitag schließlich die konkreten Anschuldigungen gegen die Frauen benannt. Laut der Staatsanwaltschaft würden sie verdächtigt, sich „mitgliedschaftlich“ für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betätigt zu haben. Entsprechende Erkenntnisse seien im Rahmen von TEM-Ermittlungen hinsichtlich der Teilnahme der Aktivistinnen an Veranstaltungen der TJA sowie auf Grundlage von „Aussagen“ vermeintlicher Zeugen gewonnen worden. Nähere Angaben zu den laut der TJA „inkriminierten“ Veranstaltungen wurden nicht gemacht. Die Staatsanwaltschaft gab lediglich an, dass es sich um Aktionen im Jahr 2020 handele. In jenem Jahr hatte die TJA die Kampagne „Em xwe diparêzin“ (Wir verteidigen uns selbst) gegen sexuelle Übergriffe, Gewalt und jede Form der Unterdrückungspolitik an Frauen durchgeführt.

Aktivistinnen in Frauenvollzugsanstalt Şakran

Die verhafteten Frauen wurden indes in das geschlossene Frauengefängnis Şakran bei Aliğa im Norden von Izmir überstellt. Der zeitgleich mit den Aktivistinnen vor zwei Tagen festgenommene kurdische Student Barış Kırmızıtaş wurde nach einem polizeilichen Verhör wieder freigelassen. Ob und wann Anklage gegen die Beschuldigten erhoben wird, sei nach Auskunft ihrer Verteidigung derzeit noch nicht absehbar.

Über die TJA

Die TJA – Tevgera Jinên Azad – ist Ende 2016 gegründet worden. Zuvor wurde ihre Vorgängerorganisation „Kongreya Jinên Azad“ (Kongress der freien Frauen) per Notstandsdekret verboten. Die TJA agiert als eingetragener Verein und ist legal. Dennoch wird die Bewegung von türkischen Ordnungsbehörden und Justiz als „PKK-Struktur“ behandelt und entsprechend kriminalisiert.