Sieben Jahre Straflosigkeit: Es reicht!

Vor sieben Jahren wurden Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in Paris vom türkischen Geheimdienst ermordet. Bis heute ist niemand für das Verbrechen belangt worden. Die kurdische Frauenbewegung ruft zur Demonstration in Paris auf.

„Von Sara bis Hevrîn - Für Gerechtigkeit sind wir aufgestanden, für die Freiheit leisten wir Widerstand!“: Unter diesem Motto ruft die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) anlässlich der Ermordung der drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez vor sieben Jahren zu einer Demonstration in Paris auf.

In dem Aufruf zur Demonstration am 11. Januar heißt es:

Am 9. Januar 2013 wurden drei unserer revolutionären Freundinnen aus Kurdistan in der französischen Hauptstadt Paris durch den faschistischen türkischen Staat ermordet. Im siebten Jahr nach diesem unmenschlichen Angriff gedenken wir Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez mit großem Respekt und Dankbarkeit und verurteilen diesen niederträchtigen Anschlag zum wiederholten Male mit unserer ganzen Wut und unserer ganzen Abscheu.

Diese drei widerständigen und zugleich schöpferischen Revolutionärinnen, die Anführerinnen des in Kurdistan begonnenen und heute global gewordenen Frauen-Freiheitskampfes, wurden mittels der hässlichen wie schmutzigen Komplizenschaft der Kräfte des letzten Vertreters des patriarchalen Geistes, dem kapitalistischen System, ermordet.

Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez haben mit ihrem Leben, ihren Gedanken und ihrem Kampf die Tausende Jahre alte Suche der Frauen nach einem freien und egalitären Leben fortgesetzt. Die Philosophie, die Haltung, die Ideologie und der Widerstand des Frauen-Freiheitskampfes Kurdistans hat immer wieder und an den verschiedensten Orten ein großes Verantwortungsbewusstsein für die Freiheit hervorgerufen. Von gestern bis heute stehen Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Leyla Qasim* und Zarife** für die würdevolle Haltung der Frau.

Die Ermordung der drei großen kurdischen Revolutionärinnen, Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez wurde von dem ausbeuterischen türkischen Staat und dem faschistischen Diktator Erdoğan als Teil seiner genozidalen Leugnungs- und Besatzungspolitik durchgeführt. Die Verantwortlichen für dieses in der französischen Hauptstadt durchgeführte Verbrechen wurden vom kurdischen Volk und seinen Freund*innen an die Öffentlichkeit gebracht. Jedoch ist die französische Justiz ihrer Pflicht, die Verantwortlichen dieser Tat zur Rechenschaft zu ziehen, nicht nachgekommen. Der Justizapparat des türkischen Staates hat im Dunkeln gebliebene Seiten dieses Verbrechens dem kurdischen Volk wie der Menschheit gegenüber bis heute nicht erhellt.

So wie die Justiz Frankreichs und der EU sich angesichts des Verbrechens am 9. Januar 2013 -  obwohl sie die Mörder kannten - nicht aus ihrer schuldhaften Position des Schweigens heraus bewegt hat, beweisen Staaten wie Deutschland, die USA und Russland angesichts der genozidalen Angriffe, der Massaker und der Besatzung durch den türkischen Staat mit seiner Verbrecherarmee IS gegen die Revolution von Rojava erneut, dass sie um alles in der Welt an ihrer Position des Schweigens festhalten wollen. Der Besatzerstaat Türkei, das Regime des Faschisten Erdoğans hält an seinem Ziel der Vernichtung Angehöriger des kurdischen, arabischen, armenischen, assyrischen und turkmenischen Volkes und zu allererst der Frauen fest. In der Hauptsache zielen diese Angriffe auf die aufstrebende Frauenrevolution von Rojava, die Revolution für Freiheit und Demokratie. Die Ermordung von Hevrin Xelef, der Generalsekretärin der Syrischen Zukunftspartei, von Amara Renas von den YPJ sowie Mutter Aqide bewerten wir als die Fortsetzung des Verbrechens von Paris am 09. Januar 2013, das auf uns Frauen abzielt. Diese Angriffe auf Frauen, die ihr Bewusstsein schärfen, sich organisieren, Widerstand leisten für ein freies, demokratisches und egalitäres Leben, werden vor den Augen aller als ein Vernichtungskrieg gegen die gesamte Menschheit fortgesetzt.

Wir, Frauen Kurdistans, des Mittleren Ostens, Europas, Amerikas, Asiens und Afrikas werden heute so wenig schweigen wie wir gestern angesichts dieses Verbrechens nicht geschwiegen haben. Wir werden weiter von den Mördern von Sakine, Fidan, Leyla, Hevrîn, Amara, Aqide und denen, die schweigen, Rechenschaft einfordern. Indem wir unseren Freiheitskampf global werden lassen, wird er viele Frauen wie Sakine und Hevrîn hervorbringen, und unsere Stimmen und den Ausdruck unserer Wut vervielfachen. Mit dem Geist und dem Widerstand von Sakine und Hevrîn werden wir den Aufbau einer freien und demokratischen Gesellschaft verwirklichen. Überall werden wir aufstehen und so unseren Widerstand vergrößern. Wir lassen nicht ab von der Entschlossenheit, unsere Organisierung voranzubringen und uns so den Frauen, die für die Freiheit unserer Völker und der Frauen ihr Leben gegeben haben, würdig zu erweisen.

In diesem Sinne sind wir zum siebten Jahrestag des dreifachen Mordes von Paris für alle Frauen wie Sara und Hevrîn sowie für die Freiheit im Widerstand und für Gerechtigkeit in der Öffentlichkeit. Wir setzen unser Ringen um Gerechtigkeit mit dem Slogan „Sieben Jahre Straflosigkeit – Es Reicht!“ fort. So verneigen wir uns ein weiteres Mal in Respekt und Dankbarkeit vor Sakine, Fidan, Leyla, Hevrîn, Amara und Aqide.

Lasst uns am 11. Januar in Paris sein, um die Verantwortlichen des dreifachen Mordes von Paris und die Kräfte des patriarchalen Herrschaftssystems, die die Frauenrevolution von Rojava angreifen, zur Rechenschaft zu ziehen. Frauen Leben Freiheit ! Jin Jiyan Azadi ! La Femme La Vie La Liberté!

*Leyla Qasim wurde 1974 in Bagdad hingerichtet. Vor dem Richter sagte sie: „Tötet mich – aber ihr müsst auch wissen, dass nach meinem Tod Tausende von Kurden aus ihrem Tiefschlaf aufwachen werden. Ich bin froh, im Stolz für ein unabhängiges Kurdistan zu sterben!” Sie hatte sich auch dafür eingesetzt, dass Frauen sich an dem Kampf beteiligen.

**Zarife spielte eine tragende Rolle im Aufstand von Dersim in den 1930er Jahren.

Titelfoto: Revue Ballast