„Ohne Frau kein Leben, ohne Leben keine Freiheit“, abgekürzt „Jin, Jiyan, Azadî” (Frauen, Leben, Freiheit) – diese drei kurdischen Wörter stehen symbolisch für genau das, was in Rojava/Westkurdistan und Nord- und Ostsyrien seit fast acht Jahren aufgebaut wird.
Fast acht Jahre sind vergangenen seit dem Beginn der Revolution von Rojava. Mit dem selbstlosen Widerstand der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ in Kobanê wurde der reaktionäre „Islamische Staat” (IS) immer weiter in die Enge getrieben. Vor einem Jahr, am Tag des kurdischen Neujahrsfests Newroz, waren es die Kämpferinnen der YPJ, die nach der erfolgreichen Offensive gegen die Dschihadistenmiliz in der letzten IS-Enklave al-Bagouz die Siegesfahne hissten.
Seit Beginn der Revolution widersteht die Bevölkerung Nord- und Ostsyriens auch allen hegemonialen Versuchen, die Revolution zu korrumpieren. Inspiriert und geprägt durch die Ideen Abdullah Öcalans und den Kampf der kurdischen Freiheitsbewegung, getragen von Frauenbefreiung, Ökologie und radikaler Demokratie, organisierte sich inmitten des Kriegs in Syrien eine revolutionäre Bewegung mit dem Anspruch, der kapitalistischen Moderne ein Ende zu bereiten. Dieser Anspruch wird nach wie vor verteidigt – trotz Angriffskriegen der Türkei.
Die Frauenbewegung Nord- und Ostsyriens führt gemeinsam mit den YPJ einen Kampf gegen alle Ebenen des Feminizids. Ohne zu zögern, entschlossen für die geschaffenen Frauenwerte sowie für die Werte der gesamten Menschheit, leisten die Frauen Rojavas Widerstand. Sie begrenzen ihren Kampf gegen Feminizid nicht nur auf einen Tag, sondern verwandeln mit ihrem Kampf jeden Tag zum 8. März.
Ein Hoffnungsschimmer für die gesamte Welt
Mit diesem Bewusstsein beging Nord- und Ostsyrien heute in den selbstverwalteten Gebieten den internationalen Frauenkampftag. In Kobanê stand dieser Tag unter dem Motto „Unser Widerstand bedeutet unsere Freiheit – unsere Freiheit bedeutet unseren Sieg” und wurde am Platz der freien Frau gefeiert. Tausende Frauen, die frabenfroh gekommen waren, widmeten den 8. März ihren Mitstreiterinnen, die im Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit ihr Leben ließen.
Die Geschichte ist Zeugin unseres Kampfes
Im Kanton Qamişlo feierten kurdische, arabische, assyrische, aramäische und armenische Frauen in Tirbêspiyê ihren Tag. Eine Rednerin sagte: „Als Frauen Nord- und Ostsyriens sind wir stolz auf die Errungenschaften, die wir in allen Bereichen des Lebens durch unseren selbstlosen Widerstand erreicht haben. Die Geschichte wurde Zeugin dessen, was wir leisteten. Sie wurde Zeugin des heroischen Kampfes der YPJ gegen den IS. Dieser Kampf ist unser Erbe an unsere Kinder und Kindeskinder.“
Raqqa: Einst IS-Hauptstadt, heute Ort emanzipatorischer Kämpfe
In Raqqa, der ehemaligen „Hauptstadt“ des selbsternannten IS-Kalifats, wurde der 8. März an einem jener Orte begangen, an dem die Terrormiliz jahrelang öffentliche Auspeitschungen und Hinrichtungen durchführte und die gesamtgesellschaftliche Psyche der Stadt zerstörte. Seit Raqqa im Oktober 2017 von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) befreit wurde, blüht der Wiederaufbau. Insbesondere die Frauen Raqqas und ihre Kämpfe werden immer stärker.
Schutzsuchende aus Idlib feiern Frauentag in Minbic
In Minbic beteiligten sich auch viele Geflüchtete aus Idlib an den Feierlichkeiten zum 8. März. Seit Anfang Dezember sind knapp eine Million Menschen vor der Offensive syrischer Regierungstruppen und deren russischem Verbündeten geflohen. Rund 80 Prozent der Schutzsuchenden sind Frauen und Kinder. Der Zivilrat von Minbic hat ein Camp für tausende Menschen aus Idlib eingerichtet. Der heutige Tag bot den Flüchtlingen Abwechslung von ihrem Leid.
Ey Reqîb in Hesekê
In Hesekê begann eine Kundgebung zum Frauentag mit der kurdischen Hymne Ey Reqîb (Oh Feind). Der Platz glich einem Fahnenmeer, überall waren Flaggen der Frauenbewegung Kongreya Star und der YPJ angebracht worden. Das kulturelle Programm wurde dreisprachig in Kurdisch, Arabisch und Aramäisch ausgerichtet. Ganz vorne an der Spitze eines Frauenmarschs, der auf den Kundgebungsplatz führte, waren Aktivistinnen der Jugendbewegung.
Das von Frauen entzündete Feuer ist ein Feuer, das nicht erlischt
Im wüstenähnlichen Niemandsland Şehba, das zwischen Aleppo und Efrîn liegt und Vertriebene aus Efrîn und anderen Orten Nordsyriens beherbergt, strömten tausende Menschen zu den Feierlichkeiten anlässlich des 8. März. Eingeladen hatte der Verband der freien Frauen aus Şehba. Eine Vertreterin sagte in einer Ansprache: „Das von Frauen entzündete Feuer ist ein Feuer, das nicht erlischt. Solange es uns gibt, wird es die Welt erleuchten. Doch unser Widerstand ist und war nicht einfach. Noch immer werden wir Opfer von Gewalt, Massakern und Feminizid. Der 8. März ist in diesem Sinne die wichtigste Phase im Kampf der Frauen.”
Erster 8. März in Deir ez-Zor nach dem IS
Die ostsyrische Region Deir ez-Zor feierte heute den ersten 8. März seit der Befreiung vom IS. Das Motto lautete: „Mit unserem freien Willen werden wir den Sieg erringen”. Es war ein bedeutender Moment in der jüngeren Geschichte von Deir ez-Zor. Viele Frauen nahmen zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Feier anlässlich des internationalen Frauentags teil.