Post aus JINWAR

Das Frauendorf JINWAR in Rojava informiert in einem Newsletter über die aktuelle Situation.

„Liebe Freund*innen, wir senden euch liebste und wärmste Grüße aus JINWAR und viel Kraft und Solidarität für den 8. März“, schreiben die Bewohnerinnen des Frauendorfes in Rojava in ihrem aktuellen Newsletter.

„Wie alle hier in diesen Tagen sind wir mit unseren Herzen und Gedanken in Efrîn. Die Verteidigung von Efrîn bedeutet auch die Verteidigung der Werte, die wir in JINWAR versuchen umzusetzen – die Verteidigung eines freien Lebens in einer freien Gesellschaft, auf der Basis von Frauenbefreiung und kommunaler Selbstbestimmung, die Verteidigung eines freien und friedlichen Zusammenlebens von Menschen verschiedener Ethnizitäten und unterschiedlichen Glaubens, die Verbundenheit der Menschen untereinander und mit dem Land. Die heftigen Angriffe auf Efrîn erschweren es uns, uns auf unsere alltägliche Arbeit in JINWAR zu konzentrieren, aber wir wissen auch, dass das, was wir in JINWAR aufbauen, Teil der gleichen großen Vision ist. JINWAR ist Teil des grundlegenden und lebhaften Widerstandes gegen Faschismus und die Unterdrückung von Frauen, die sich in der Grausamkeit und Gewalt der Angriffe auf Efrîn zeigen.

Während der Wintermonate war es in JINWAR ein bisschen ruhiger, einige Arbeiten haben auf Grund der Wetterverhältnisse pausiert. Wir konnten die Beziehungen zu unseren Nachbar*innen vertiefen, vor allem zu den Frauen in den nahegelegenen Dörfern. Viele Familien haben uns eingeladen, wir haben uns gegenseitig besucht und haben alltägliche Fragen, Arbeiten und Erfahrungen miteinander geteilt. Nun kommt der Frühling, alles erwacht wieder und es gibt viel zu tun. Die beste Neuigkeit ist, dass unsere Gruppe von Frauen, die jeden Tag im Dorf arbeiten, größer geworden ist. Einige Frauen aus den nahegelegenen Dörfern und aus der Stadt kommen nun jeden Tag und wir arbeiten und leben alle zusammen. Im Moment arbeiten wir an den zentralen Plätzen im Dorf. Wir haben die Pfeiler vor den Häusern angemalt und viel Zeit im Garten verbracht. Wir haben im Obstgarten gearbeitet, dort haben wir die Umrandung der Bäume vorbereitet, damit sie gut und gesund wachsen können. Wir haben Blumenbeete vorbereitet und Paprika, Auberginen, Gurken und Kürbis in kleine Vorbeete gesät, damit wir in ein paar Wochen die Keimlinge einpflanzen können. Außerdem haben wir ein kleines Gewächshaus gebaut, in dem die Keimlinge sprießen können. Jetzt ernten wir gerade die Frühlingszwiebeln, die wir im November gepflanzt haben. Auch die Gerste kommt nun aus der Erde und macht die Umgebung von JINWAR nach dem Winter wieder grün. Vor Kurzem haben wir außerdem weitere Bäume in der Mitte des Dorfes und neben dem Garten gepflanzt.

Heute, während wir draußen zusammen gearbeitet haben, sagte eine der Frauen: „Wie kannst du sagen, dass ein Garten schön ist, wenn du die Erde nicht berührt hast, wenn deine Hände den Boden nicht für die Samen vorbereitet haben, wenn du den Samen nicht Wasser gegeben hast, wie kannst du den Garten dann wirklich sehen?” Es ist die Bemühung und die Liebe, die du in etwas gesteckt hast – ein Garten, unsere Freund*innen, die Gesellschaft, eine soziale Vision – die uns verstehen lassen, die uns sehen lassen, die etwas wachsen und schöner und schöner werden lassen.

Auch die Arbeit an den Häusern geht weiter. Mittlerweile haben fast alle Häuser Holztüren und Fensterrahmen. Die Fassaden der Häuser sind stabil und wir haben ein Depot für Getreide und andere Lebensmittel aus dem Garten gebaut. Der Regen in den letzten Wochen war wie ein erster Test für die Häuser. Sie haben den Test alle gut überstanden, aber wir konnten ein paar kleine Stellen im Dach entdecken, durch die Wasser kam. Wir werden diese Stellen reparieren, wenn das Wetter wieder wärmer ist.

Die wichtigsten Bauprojekte für die nächsten Tagen und Wochen sind der zentrale Platz des Dorfes und die kommunale Bäckerei. Das Zentrum des Dorfes wird als ein großer Kreis angelegt mit viel Platz, um gemeinsam dort zu sitzen, mit einer gemeinschaftlichen Küche und einem Ort für die Versammlungen des Dorfes. In der Mitte dieses Kreises haben wir eine Wasserstelle in der Form eines Sterns gebaut. Einen Stern haben wir gewählt, weil er das Symbol Ishtars ist, der mesopotamischen Muttergöttin der Liebe, Schutz, Weisheit und Fruchtbarkeit. Mit dem Angriff auf den Ain-Dara-Tempel in Efrîn, welcher durch türkische Kampfflugzeuge im Januar durchgeführt wurde, und der Zerstörung dieses bedeutenden Stück kulturellen Erbes, welches wahrscheinlich in den Hititer-Zeiten Isthar gewidmet wurde, wird der Stern zu einem noch wichtigerem Symbol für die Geschichte des Widerstands der Frauen gegen Besetzung und für die Fähigkeit von Frauen, ein kommunales und freies Leben aufzubauen.

Es gibt uns sehr viel Kraft, zu sehen, wie JINWAR wächst. Dies gilt in Bezug auf den Fortschritt der praktischen Arbeit, den Garten, den Häusern, aber auch für unser gemeinsames Verständnis. Selbst wenn wir gerade erst die Häuser vorbereiten, um sie bezugsfähig zu machen und selbst wenn wir gerade noch Wenige sind, ist JINWAR bereits zu einem Lebensort geworden.

Vor einigen Tagen saßen wir zusammen, um unsere Gespräche über die Basisorganisierung des Lebens in JINWAR zu vertiefen. Dabei waren Frauen, die neu in die Arbeit eingestiegen sind. Wie wollen wir leben? Welche Art von Beziehungen wollen wir in dem Dorf aufbauen? Wie können wir die Freiheit von Frauen und die Freiheit der Gesellschaft auf eine praktische Weise verteidigen? Was ist mit der Erziehung der Kinder? Wir haben über unsere Erfahrungen und Wünsche geredet, wir haben den Gesellschaftsvertrag von Kongreya Star über die Rechte von Frauen und soziale Beziehungen sowie die Grundprinzipien der Mala Jin (Frauenhäuser) zusammen gelesen. Wir haben das Ziel, einen ersten Gesellschaftsvertrag auch für JINWAR zu formulieren, um es als eine gemeinsame Basis für das Leben zu sehen.

Wir haben ein kurzes Video zusammengestellt, welches die ersten Schritte des Baus vom Frühling 2017 bis zum Winter zeigt. Wenn Ihr es noch nicht gesehen habt, könnt Ihr es hier finden:

Macht JINWAR bekannter, unterstützt das Dorf, sendet uns eure Fragen, Ideen und Reflexionen! Wir wünschen euch allen alles Gute, das Komitee von JINWAR – Dorf freier Frauen Rojava.“