Petition an NATO-Generalsekretär: Genozid und Femizid stoppen!

Unter Erdogan ist der türkische Staat zu einer Bedrohung für Frauen geworden, insbesondere für Kurdinnen. Die Frauenkommission im KNK hat eine offene Petition an NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gestartet.

Die Frauenkommission im Nationalkongress Kurdistan (KNK) hat eine Petition an NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gestartet. In der Petition stellen die KNK-Frauen dar, wie die Türkei mit ihrem Expansionismus und grenzüberschreitenden Militäroperationen die erklärten Ziele der NATO verletzt und was das insbesondere für Kurdinnen bedeutet:

Kurdischen Genozid und Femizid stoppen!

„Die NATO fördert demokratische Werte..." und „Die NATO ist der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten verpflichtet", heißt es auf der bündniseigenen Webseite (Was ist die NATO?). Der NATO-Mitgliedsstaat Türkei handelt jedoch ständig in eklatanter Verletzung der erklärten Ziele und Normen der NATO, indem er Operationen der militärischen Aggression jenseits seiner Grenzen initiiert und das kurdische Volk in Nord- und Ostsyrien und in Südkurdistan (Nordirak) in einem brutalen und nicht enden wollenden Krieg nach eigenem Gutdünken angreift, der durch nichts anderes als die Existenz des kurdischen Volkes begründet ist.

Wir, kurdische Frauen, erlauben uns daher, uns mit einem sehr dringenden Anliegen an Sie zu wenden. Wir möchten Ihre Aufmerksamkeit auf die Vernichtungsoperationen lenken, die vom türkischen Militär am 24. April 2021 gegen die Gebiete Zap, Metîna und Avaşîn in Südkurdistan (Nordirak) gestartet wurden. Wir glauben, dass diese unprovozierten Militäroperationen der Beginn einer Kampagne des Völkermordes an den Kurden sind. Diese Operationen wurden am Jahrestag des armenischen Völkermordes gestartet, der 1915 das Leben von 1,5 Millionen Armeniern forderte, am selben Tag, an dem US-Präsident Biden den armenischen Völkermord offiziell anerkannte. Wir sehen den gegenwärtigen Krieg als einen Versuch, unser Volk zu eliminieren.

Am 23. April sprach US-Präsident Biden mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Weniger als zwei Wochen zuvor, am 14. April, appellierte David Satterfield, der US-Botschafter in der Türkei, in einer Erklärung auf seinem Twitter-Account an Erdogan und die türkische Regierung und gab bekannt, dass das US-Außenministerium eine frühere Entscheidung erneuert habe, eine Belohnung von bis zu zwölf Millionen Dollar für jeden auszusetzen, der Informationen liefert, die zur Ergreifung der hochrangigen Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Cemil Bayık, Murat Karayılan und Duran Kalkan führen.

Ein Krieg gegen das Existenzrecht unseres Volkes“

Es ist offensichtlich, dass Erdogan von der NATO und den USA die Erlaubnis erhalten hat, die Kurden wieder einmal anzugreifen. Während Erdogan und seine Apologeten von einem Kampf zwischen der PKK und der Türkei sprechen, wissen wir nur zu gut, dass der heutige Konflikt nur das neueste Kapitel im langjährigen Krieg des türkischen Staates gegen das kurdische Volk ist. Dies ist und war schon immer ein Krieg gegen das Existenzrecht unseres Volkes. Als die Terrorgruppe „Islamischer Staat" (IS) 2014 große Teile des syrischen und irakischen Territoriums eroberte und sich über den gesamten Nahen Osten auszubreiten drohte, waren es weder die NATO noch die USA, die das kurdische Volk und die Frauen Kurdistans schützten - es war die PKK.

Sehr geehrter Herr Stoltenberg, fast sieben Jahrzehnte nachdem die Türkei der NATO beigetreten ist, schauen die anderen NATO-Mitgliedsstaaten über die Menschenrechtsverletzungen, die militärische Aggression und den zunehmenden Autoritarismus des türkischen Staates hinweg und versuchen weiterhin, die Kurden zu schikanieren, um einen zunehmend unzuverlässigen und unberechenbaren ehemaligen Verbündeten im Nahen Osten zu beschwichtigen, der bis heute stolz und offen eine Vielzahl von militanten dschihadistischen Gruppen in ihrem fortwährenden Bestreben unterstützt, das kurdische Volk zu unterjochen und sein Land zu besetzen. Die kurdische Karte wird leicht gespielt, und das kurdische Volk, das so viel geopfert hat, um den IS zu besiegen, wird von der NATO im Stich gelassen, damit die Türkei zumindest nominell der Vorposten der Allianz in der Region bleiben kann.

Eine Bedrohung für Frauen“

Unter Erdogan ist der türkische Staat zu einer Bedrohung für Frauen geworden, insbesondere für uns als kurdische Frauen. Erdogans islamistische Regierungspartei, die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), hat jedes ihr zur Verfügung stehende Mittel genutzt, um ihre konservative Ideologie zu verbreiten und gleichzeitig alle Kritiker zum Schweigen zu bringen, und jetzt dominiert die Version des Islamismus der AKP in allen Lebensbereichen im ganzen Land. Feminizid, die Ermordung von Frauen, ist eine Säule der türkischen Staatspolitik in der Türkei und über die Grenzen des Landes hinaus. In den kurdischen Gebieten der Türkei agieren paramilitärische Kräfte ungestraft, und Vergewaltigungen und das Verschwindenlassen von Frauen sind zu zentralen Merkmalen des staatlichen Krieges gegen kurdische Frauen geworden. In den kurdischen Gebieten Nord- und Ostsyriens und Südkurdistans (Nordirak) verletzen der türkische Staat und das Militär durch die Invasion und Besetzung von Territorien das Völkerrecht und begehen auch in diesen Ländern systematisch Frauenmorde an kurdischen Frauen. Wie im Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission zu Syrien der Vereinten Nationen im August 2020 dokumentiert, ist die Situation der Frauen in den türkischen Besatzungszonen in Syrien entsetzlich, da die von der Türkei unterstützten Kräfte in diesen Gebieten plündern, vergewaltigen, Zwangsheiraten fördern und die Bewohnerinnen foltern. Die expansionistische Besatzungspolitik des türkischen Staates verstößt eindeutig gegen die erklärten Prinzipien der NATO.
Wir fordern Sie auf, zu intervenieren und die Türkei, einen NATO-Mitgliedsstaat, davon abzuhalten, die Normen und die Verfassung Ihres Bündnisses zu verletzen. Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und hoffen, dass Sie die Dringlichkeit unseres Anliegens anerkennen.“