Das PKK-Komitee „Solidarität mit den Familien von Gefallenen“ hat den Tod von Cafer Engizek bekannt gegeben und seinen langjährigen revolutionären Kampf in einem Nachruf gewürdigt. Er sei einer von Tausenden Heldinnen und Helden, die in dem seit einem halben Jahrhundert andauernden Kampf für die Existenz und Freiheit des kurdischen Volkes gefallen seien, erklärte das PKK-Komitee: „Um die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik des türkischen Staates scheitern zu lassen und die kurdische Identität auf der Welt sichtbar zu machen, wurde ein hoher Preis gezahlt. Unser großer Freiheitsmarsch hat mit sechs Personen begonnen und inzwischen längst die Grenzen Kurdistans überschritten und Millionen Menschen erreicht. Das ist das Werk unserer unsterblichen Gefallenen und derer, die heute in Tunneln und an den Fronten Widerstand gegen jede Form der Barbarei leisten und ihre Namen mit goldenen Buchstaben in die Freiheitsgeschichte der Völker eingehen lassen.“
Cafer Engizek kam 1955 im kurdisch-alevitischen Dorf Bazlar in Gurgum-Markaz (tr. Maraş-Pazarcık) zur Welt und schloss sich in seiner Jugend der apoistischen Bewegung an. „Gurgum und seine Umgebung waren bereits während der osmanischen Herrschaft einer Politik der Assimilierung, Deportation und des demografischen Wandels unterworfen. Nach der Gründung der Republik Türkei wurde es zu einem Gebiet, in dem die Türkisierung und Assimilierung am intensivsten betrieben wurde. Die Region wurde nahezu ihrer Identität beraubt. Trotzdem gab es weiterhin eine starke kulturelle Widerstandsbewegung. Unser Genosse Cafer Engizek wuchs in einem solchen Umfeld auf und stellte Fragen zum Leben, sozialen Beziehungen und zum Klassenkampf. Durch die Vitalität des gesellschaftlichen Gedächtnisses entstand in ihm eine Haltung gegen die Maßnahmen des türkischen Staates. Das Teilen, die Solidarität und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft, der er angehörte, spiegelten sich in seiner Persönlichkeit und seinem Denken und Fühlen wider“, heißt es in dem Nachruf. „Er absolvierte die Grundschule in seinem Geburtsort und die weiterführende Schule in Markaz. Nach seinem Abschluss an einem privaten Kunstinstitut in Dîlok schrieb er sich am Bildungsinstitut in Markaz ein, machte einen Abschluss an der Pädagogischen Hochschule und begann, als Grundschullehrer zu arbeiten.“
1976 lernte er die Gruppe um Abdullah Öcalan kennen, die damals als „Revolutionäre Kurdistans“ bekannt war. Im selben Jahr schloss er sich der apoistischen Bewegung an und war unter anderem zusammen mit Kemal Pir in Gurgum und Dîlok aktiv, um den kurdischen Freiheitskampf bekannt zu machen und Mitstreiter:innen zu gewinnen. 1979 gehörte er zu der ersten Gruppe aus der Bewegung, die für eine militärische Ausbildung in den Libanon ging und sich auf den Beginn des Guerillakampfes vorbereitete. Nach seinem Aufenthalt im Libanon und in Syrien kehrte er zurück und beteiligte sich am Aufbau des Widerstands gegen den Militärputsch vom 12. September 1980. Es kam zu Massenverhaftungen in der gesamten Türkei. Cafer Engizek blieb bis 1981 mit einer kleinen Guerillagruppe im Südwesten Kurdistans und ging dann erneut an die PKK-Akademie im Libanon und danach in die Volksarbeit an Orten wie Aleppo und Efrîn.
Das PKK-Komitee betont in dem Nachruf, dass damals die Grundlagen für die heute weltweit bekannt gewordene Rojava-Revolution und das Modell einer demokratischen Nation gelegt wurden: „Unser Weggefährte Cafer Engizek gewann mit seinem bescheidenen Leben und seiner opferbereiten Beteiligung einen großen Platz im Herzen der Bevölkerung in der Region. Er übernahm eine führende Rolle bei der Überschreitung der Grenze und der Übertragung der von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] unter Tausenden Mühen erschaffenen Werte nach Kurdistan. Aufgrund einer schweren Erkrankung war er ein Jahr in Südkurdistan in medizinischer Behandlung, bevor er 1983 nach Behdînan kam und seinen revolutionären Weg ohne Unterbrechung fortsetzte.“
Nach Beginn des bewaffneten Kampfes im August 1984 übernahm er bis 1990 Verantwortung auf Kommandoebene in verschiedenen Guerillagebieten. „Weil er Bildung als grundlegende Voraussetzung für den Erfolg der PKK ansah, stellte er sein Wissen und seine Erfahrungen unter allen Umständen in den Dienst seiner Genossinnen und Genossen und bildete sie aus.“
Nach einem weiteren Aufenthalt an der Mahsum-Korkmaz-Akademie war Cafer Engizek bis 1994 in den Gebieten um Gurgum und Semsûr aktiv, um den Guerillakampf und die Bevölkerung zu organisieren. Danach hatte er erneut die Gelegenheit, an einer Ausbildung von Abdullah Öcalan teilzunehmen. Bis 1999 war er in der Leitung der Regionen Botan und Behdînan. „Er leistete einen großen Beitrag für die Entwicklung des Freiheitskampfes Kurdistans und war der von Rêber Apo vorgelegten Widerstandslinie tief verbunden. Daher bezog er immer Position gegen reaktionäres, zerstörerisches und revolutionsfeindliches Denken und Handeln. Er machte keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Aufgaben und zeigte eine selbstlose Beteiligung. Überall, wo er sich aufhielt, fühlte er sich für die Bildungsarbeit verantwortlich, um das von Rêber Apo Erlernte bei jeder Gelegenheit in den Dienst des Kampfes zu stellen. Tausende Kader und Militante haben von seiner Arbeit profitiert.“
Nach der Gefangennahme von Abdullah Öcalan im Februar 1999 blieb Cafer Engizek als Kämpfer, Kommandant und Ausbilder in den Medya-Verteidigungsgebieten und betätigte sich gleichzeitig als Schriftsteller, Forscher und Literat der kurdischen Befreiungsbewegung. Er schrieb ein Sachbuch über Zarathustra und verfasste die kurdischen Romane „Bênav“ und „Berxên Me“.
„Unser Freund Cafer Engizek war ein vielseitiger Revolutionär. Er hat sich in seinem ein halbes Jahrhundert währenden Kampf nie auf einen einzigen Arbeitsbereich beschränkt und nutzte jeden Augenblick mit verschiedenen Aktivitäten. Er beteiligte sich an der Bildungsarbeit, der Organisation, der Forschungsarbeit sowie an der Medienarbeit. Unter anderem übernahm er Verantwortung für den Radiosender Dengê Gerîla, der eine wichtige Rolle dabei spielt, das Leben und den Kampf der Guerilla in die Gesellschaft zu tragen“, heißt es in dem Nachruf.
Drei Jahre lang war Cafer Engizek Vertreter der KCK in Rojhilat (Ostkurdistan). Später arbeitete er in der vom Komitee für Wissenschaft und Aufklärung gegründeten Akademie für Sozialwissenschaften. Er schrieb einen Roman über Rojhilat und verfasste viele weitere literarische Werke, mit denen er dem kulturellen Völkermord entgegentrat und zur Entstehung einer revolutionären Literatur in den freien Bergen Kurdistans beitrug, so das PKK-Komitee: „In seinem gesamten revolutionären Leben orientierte er sich an Rêber Apos Philosophie, den Grundsätzen apoistischer Militanz und der Kampf- und Widerstandslinie der PKK. Mit dem Paradigmenwechsel in der Zeit der dritten Parteiwerdung setzte er sich intensiv mit Rêber Apos Philosophie auseinander, um das Paradigma einer demokratischen, ökologischen und auf der Freiheit von Frauen basierenden Gesellschaft richtig zu verstehen und anzuwenden. Frauen ein echter Genosse zu sein, war für ihn ein wesentlicher Maßstab für PKK-Militanz.“
Seine Forschungen und seine literarische Arbeit setzte Cafer Engizek zuletzt in Rojava fort. Gleichzeitig ließ er sich medizinisch behandeln und kämpfte gegen die Gelbsucht an, die ihn schon lange begleitete und trotzdem nie vom Kampf abgehalten hatte. Er starb am 14. März 2024 in einem Krankenhaus in Rojava, teilte das PKK-Komitee in dem Nachruf mit:
„Unser Genosse Cafer Engizek hat sein ganzen Leben der Freiheit Kurdistans gewidmet und spürte im Herzen den Enthusiasmus der Revolution von Rojava. Als er sich am 14. März 2024 bei seiner Behandlung im Krankenhaus der Karawane der Gefallenen anschloss, hinterließ er große Kampferfahrung, Freiheitsbewusstsein und das Gefühl der Verbundenheit zum Land. Wir richten Hevalê Cafers wertvoller Familie, dem Volk Kurdistans und allen Menschen, die den Werten der Demokratie und Freiheit verbunden sind, unser Beileid aus und erneuern unser Versprechen, seine Ziele und Träume von einem freien Kurdistan und einem freien Leben zu verwirklichen.“