„Krankenwagen statt Panzer, Beatmungsgeräte statt Bomben"
„Gesundheit statt Waffen!" fordert die feministische Kampagne „Gemeinsam kämpfen“ zum Aktionstag „Healthcare Not Warfare“.
„Gesundheit statt Waffen!" fordert die feministische Kampagne „Gemeinsam kämpfen“ zum Aktionstag „Healthcare Not Warfare“.
Während die weltweit von Krieg und Flucht betroffenen Menschen durch Covid 19 gefährdeter denn je sind, freut sich der deutsche Waffenkonzern Rheinmetall auf den selbst prognostizierten „Super-Zyklus“ der globalen Rüstungsindustrie.
Statt durch die globale Herausforderung der Pandemie die unübersehbar gewordenen Missstände im Gesundheitssektor zu adressieren, genehmigte die Bundesregierung in den ersten drei Monaten dieses Jahres Rüstungsexporte in Höhe von 1,16 Milliarden Euro. Insgesamt belief sich der Verteidigungshaushalt im Jahr 2019 auf knapp 45 Milliarden EUR, der Gesundheitsetat auf 15 Milliarden – wenig deutet darauf hin, dass sich dies im Zuge der Krise maßgeblich verändern wird. Das Geschäft mit dem Tod ist zu profitabel.
Anlässlich der Rheinmetall-Hauptversammlung haben Rheinmetall Entwaffnen, Riseup4Rojava und die Interventionstische Linke zum Aktionstag „Healthcare Not Warfare“ aufgerufen. Die Forderungen sind klar: Die Welt braucht Krankenwagen statt Panzer, Beatmungsgeräte statt Bomben. Gesundheit statt Waffen. Im Zuge dessen hat die feministische Kampagne „Gemeinsam kämpfen! Für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“ eine Erklärung verfasst:
Am 10. April erschien es als Meldung in der Rubrik „Was sonst so los ist“, unter der die Tagesschau knapp gefasste Nachrichten neben dem allgegenwärtigen Thema Covid 19 veröffentlicht. Zwischen dem Hinweis, Papst Franziskus begehe die traditionelle Kreuzweg-Prozession am Karfreitag ohne Pilger und der Wettervorhersage war zu lesen: „Die Bundesregierung hat im ersten Quartal 2020 Rüstungsexporte in Höhe von 1,16 Milliarden Euro genehmigt“.
Es ist an Zynismus kaum zu überbieten. Ein Zustand, hinter dem hunderttausende Tote und Vertriebene, für uns nicht greifbares Leid und Elend stehen, ist nicht mehr wert als eine Randnotiz – „Was sonst noch so passiert“. Für uns gleichbedeutend mit dem Wetter?
Wir leben in einer Welt, in der Covid 19 neue Realitäten geschaffen, aber viele der grundlegenden Missstände, gegen die wir kämpfen, nicht geschwächt, sondern stattdessen noch verstärkt hat. Unter der Coronapandemie wurde die maßgeblich von Frauen* getragene Care-Arbeit als „systemrelevant“ erklärt – doch für welches System?
Das System, unter dem wir leben, ist das kapitalistische Patriarchat. Dieses System in all seinen Ausdrucksformen – Gewalt, Rassismus, Nationalismus und staatliche Repression, Ausbeutung und Zerstörung von Natur und Umwelt und direkte Unterstützung von Kriegen und dadurch direkte und indirekte Kriegsbeteiligungen weltweit – basiert auf der patriarchalen Logik von Unterdrückung.
Als krasser Ausdruck dieser Logik hält auch der Krieg des türkischen Faschismus unter Erdoğan und seinen jihadistischen Verbündeten unvermindert an. Er richtet sich gegen die befreiten Gebiete der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien, gegen jede freiheitliche Kraft in der Türkei selbst, gegen Südkurdistan. Ein Vernichtungskrieg, ausgetragen auch mit Waffenlieferungen und immer mit der Rückendeckung der deutschen Bundesregierung.
Von Anfang an ist auch dieser Angriff, wie jede Form der Aggression zuvor, insbesondere gegen die Errungenschaften der Rojava-Revolution als Revolution der Frau gerichtet. Denn der feministische Kampf ist die größte Gefahr für die Mauern, die real und in den Köpfen gebaut werden. In diesem Kampf müssen wir lernen, die Realität patriarchaler Logik auszuhalten und dabei allen Schmerz und Wut in eine Kraft des Widerstandes immer wieder zu entwickeln. Jetzt, in einer Phase, in der wir erste Erfahrungen gemacht haben, mit der Situation einer weltumspannenden Pandemie umzugehen, müssen wir unseren gemeinsamen Kampf darin stärken.
Wir denken dabei an die Freund*innen in Rojava, deren Kampf uns Perspektive und Hoffnung gibt. Trotz der ständigen Bedrohung, trotz Embargo und ausbleibender internationaler Anerkennung arbeiten die Menschen unermüdlich am Aufbau einer befreiten, gleichberechtigten und ökologischen Gesellschaft.
Wir denken an die Freund*innen in den Kandil-Bergen in Başûr und im Camp Mexmûr, Nordirak, die immer und immer mehr Angriffen ausgesetzt sind. Wir denken an die Freund*innen in der Türkei, die aus ihren gewählten Ämtern enthoben, denen ihre Grundrechte verwehrt werden.
Ihren Kampf um Befreiung, ihren Widerstand, können wir nur begreifen, wenn wir uns selbst ernst nehmen. Wenn wir uns und unsere Kämpfe kritisch betrachten und aus unserer Verschiedenheit Stärke gewinnen. Wir tragen individuell verschiedene Verantwortungen, verschiedene Kämpfe in uns. Doch wo immer wir uns spalten lassen, folgen wir der Logik des kapitalistischen Patriarchats. Wir müssen nicht gleich sein, um für Gleiches zu kämpfen.
Heute und hier stehen wir vereint in unseren Forderungen. Wir alle schweigen nicht zu den Waffendeals der Bundesrepublik Deutschland. Wir nehmen es nicht hin als bloße Randnotiz in einer Gesellschaft, die mit anderen Dingen beschäftigt ist. Wir sehen das System und die Struktur, die all dem zugrunde liegt – und wir werden nie aufhören, sie offenzulegen, auf sie zu zeigen, sie anzugreifen. Unsere Forderung heute lautet „Gesundheit statt Waffen!“ und wir werden sie weiter und weiter tragen. Wir lassen uns nicht entmutigen von den Angriffen, denen wir ausgesetzt sind.
Wir legen unser Vertrauen nicht in einen Staat, der die Kriegsindustrie über die Gesundheit stellt, Profite über Menschen. Wir arbeiten an unserer eigenen, selbstbestimmten und freiheitlichen Gesellschaft. Wir organisieren den feministischen Widerstand!
Wir folgen den Feministas del Abya Yala, die sich in ihrer Botschaft zum 1. Mai dem multinationalen, grenzüberschreitenden, globalen feministischen Streik anschließen mit ihren Worten: „Wir haben keine Grenzen. Wir haben keine Angst. […] Wir sind Frauen, Lesben, Transvestiten, Transsexuelle, flüchtende Körper des Heteropatriarchats, welches wir bekämpfen; wir schreien, wir denunzieren, wir erinnern, wir knüpfen Netzwerke, wir können, trotz des Schmerzes, mit Freude leben, wir säen Hoffnung und wir wissen zu lieben.“
Jin, Jiyan, Azadî! Gegen jede Form von Unterdrückung, für eine befreite Gesellschaft!