„Keine Amnestie für Kindesmissbrauch“

Frauenorganisationen protestieren gegen den Gesetzentwurf der türkischen Regierung, nach dem Vergewaltiger von Minderjährigen eine Amnestie erhalten, wenn sie die Betroffenen heiraten. Die Frauen bildeten eine „Lila-Bandkette" in Istanbul-Kadıköy.

Seit 2016 versucht die Erdoğan-Regierung einen Gesetzentwurf durchzubringen, nach dem Vergewaltiger von Minderjährigen eine Amnestie erhalten sollen, wenn sie anschließend die Vergewaltigten heiraten. Damit würde Missbrauch legitimiert und die Kinderehe de facto eingeführt. 2016 scheiterte der Entwurf an massiven Protesten und wurde auf Eis gelegt, nun will die AKP dieses Gesetz gleich nach Ende des Ramadan ins Parlament einbringen. Die Initiative „Frauen sind gemeinsam stark“ organisierte eine Menschenkette verbunden mit einem lila Band vor der Schiffsanlegestelle in Kadıköy. Die Aktion fand in einem Polizeikessel statt. Die Frauen trugen Plakate mit der Aufschrift: „Statt Amnestie für Missbrauch die Istanbul-Konvention umsetzen“ oder „Auch zu Zeiten von Corona sind Frauen zusammen stark“. An der Aktion nahmen auch die HDP-Abgeordneten Züleyha Gülüm, Dilşad Canbaz Kaya und Oya Ersoy teil. Die Frauen riefen gemeinsam „Keine Amnestie für Missbrauch“, „AKP – nimm die Finger von den Kindern“, „Schützt nicht die Familie, sondern die Frauen“.

Die Frauenaktivistin Çağla Akdere trug eine Erklärung vor und warnte, dass das Gesetz die Kinderehe legalisiere und der Missbrauch mit der Straflosigkeit der Täter zunehmen werde. Sie forderte die Umsetzung der Istanbul-Konvention, in der der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt und Missbrauch verankert ist, und kritisierte die Legitimierungsversuche für Kindesmissbrauch in den Regimemedien: „Diejenigen, die sagen, wir sollen nicht rausgehen, unternehmen rein gar nichts gegen die Gewalt, die Frauen zu Hause erleben, sie gehen gegen Frauenhäuser vor und versuchen, das Gesetz gegen Gewalt an Frauen soweit wie möglich einzuschränken. So lange daran gearbeitet wird, die Vergewaltiger zu amnestieren und die Istanbuler Konvention gegen Gewalt an Frauen nicht umgesetzt wird, ist für uns die Gewalt zu Hause gefährlicher als das Virus auf der Straße. Wir sind heute hier, damit wir sicher zu Hause bleiben können, wir sind hier für eine Welt, in der uns keine Gewalt angetan wird und Frauen zu Hause und auf den Straßen sicher sind. Wir sind heute trotz des Virus, aber mit dem nötigen Abstand hier. Es lebe die Frauensolidarität.“