HPG gedenken YJA-Star-Kommandantinnen

Diren Wan, Adar Amed und Dicle Sêrt waren Kommandantinnen der YJA Star. Anfang der Woche sind sie in Pîran im Widerstand gegen die türkische Armee gefallen. Die HPG schätzen sie als Symbole des Frauenbefreiungskampfes und würdigen ihren Einsatz.

Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat die vollständigen Identitäten der drei Kämpferinnen der autonomen Frauenguerilla vorgelegt, die Anfang der Woche bei Pîran in der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) ums Leben gekommen sind. Diren Wan, Adar Amed und Dicle Sêrt waren langjährige Mitglieder der Verbände freier Frauen (YJA Star) und gehörten den Strukturen der Guerilla auf Kommandoebene an. Die HPG würdigen sie als „Symbole des Frauenbefreiungskampfes“ für ihren langjährigen Einsatz im Widerstand für das kurdische Volk.

                                 

Codename: Diren Wan

Vor- und Nachname: Aliye Kiye

Geburtsort: Wan

Namen von Mutter und Vater: Vasfiye – Ebubekir

Todestag und -ort: 20. September 2022 / Amed

 

 

Codename: Adar Amed

Vor- und Nachname: Hatice Ay

Geburtsort: Amed

Namen von Mutter und Vater: Hidayet – Abdullah

Todestag und -ort: 20. September 2022 / Amed

 

 

Codename: Dicle Sêrt

Vor- und Nachname: Hacer Sucin

Geburtsort: Şirnex

Namen von Mutter und Vater: Hediye – İbrahim

Todestag und -ort: 20. September 2022 / Amed

Diren Wan

Diren Wan wurde im Kreis Elbak (Başkale) in eine der kurdischen Widerstandstradition verbundene Familie geboren. Seit den ersten Tagen der kurdischen Befreiungsbewegung ist die Region bekannt für ihre rebellische Haltung gegenüber der staatlichen Unterdrückung und gehört zu den Zentren des „revolutionären Volkskriegs“ – wo sich Serhildan-Revolten und Befreiungskampf vereinen. So lernte Diren Wan den kurdischen Widerstand bereits im Kindesalter kennen, ebenso die Realität des Staates. Aufgrund der Verfolgung und Unterdrückung, bedingt durch die aktive Teilnahme von zahlreichen Verwandten am Befreiungskampf, verließ die Familie den Wohnort Elbak und ließ sich in der Provinzhauptstadt Wan nieder.


Unter dem Eindruck des Verlustes zweier Onkel mütterlicherseits, die im Guerillawiderstand ums Leben kamen, setzte sich Diren Wan intensiver mit dem Paradigma von Abdullah Öcalan und der PKK auseinander. Sie widersetzte sich dem reaktionären und frauenfeindlichen kapitalistischen System, das ihr ein identitätsloses Sklavendasein auferlegen zu vermochte. Stattdessen fasste sie nach dem „Internationalen Komplott“ von 1999, wie die kurdische Gesellschaft die Verschleppung Abdullah Öcalans aus Kenia in die Türkei bezeichnet, den Entschluss, in die Berge zu gehen. Weil sie noch keine 18 Jahre alt war, schickte man sie zunächst zurück. Bei einem zweiten Versuch 2003 konnte sie bleiben.

Diren Wan kämpfte die ersten Jahre in Südkurdistan. Wichtige praktische Erfahrungen sammelte sie in Qendîl und Zap, ins Zagros-Gebirge ging sie als versierte Kommandantin. Der Phase des revolutionären Volkskrieges 2011 schloss sie sich aus Perspektive der Frauenpartei PAJK aktiv an, im selben Jahr begann auch ihr Einsatz in Amed. Neben dem Guerillakampf in den Bergen verteidigte sie Kurdistan auch im „Städtekrieg“, organisierte Aktionen und führte sie an. 19 Jahre lang war Diren Wan „leidenschaftliche Verfechterin“ der apoistischen Befreiungsideologie, kämpfte unter den schwierigsten Bedingungen, wie die HPG erklären, und galt ihren Freundinnen und Freunden stets als wegweisende Figur. „Hevala Diren war Pionierin der neuzeitlichen Guerillakriegsführung und gestaltete den Kampf unter ihrem Kommando entsprechend.“ Am 19. September 2022 geriet sie zusammen mit Adar Amed und Dicle Sêrt in Auseinandersetzungen mit türkischen Operationseinheiten. Die Kämpfe dauerten fast einen ganzen Tag. Am Ende gelang es der zweitgrößten NATO-Armee nur durch den Einsatz ihrer Luftwaffe, die drei Kommandantinnen zu „besiegen“.

Adar Amed

Adar Amed wurde in Pasûr (Kulp) geboren. 1992, im Alter von zwei Jahren, verlor sie ihren Vater Abdullah Ay bei einer extralegalen Hinrichtung durch paramilitärische Kräfte. Sie wuchs in einem patriotischen Umfeld auf, ihre Kindheit war geprägt von der Realität der genozidalen Vernichtungsabsichten des Staates. „In diesem Bewusstsein reifte sie bereits früh zu einer militanten kurdischen Frau heran“, schreiben die HPG über Adar Amed. Als Jugendliche war sie aktiv in den Reihen der kurdischen Jugendbewegung und beteiligte sich an den Serhildan in Amed. 2008 fasste sie den Entschluss, zur Guerilla zu gehen. Sie schloss sich dem Kampf in ihrer Geburtsstadt an und kämpfte sechs Jahre lang in verschiedenen Gebieten der Provinz Amed. Hier beteiligte sie sich an wichtigen Offensiven.


2014 zog es Adar Amed in die Medya-Verteidigungsgebiete. Dort hielt sie sich eine Weile in der Şehîd-Bêrîtan-Akademie auf und gab ihre Erfahrungen aus der Praxis in Bakur weiter. Ihre weiteren Aufgaben im Guerillakampf übernahm sie fortan als Kommandantin und unterrichtete andere Kämpferinnen und Kämpfer in der neuzeitlichen Guerillakriegsführung im Ausbildungszentrum für Spezialoperationen, das nach der Gefallenen Rojîn Gewda benannt ist. Später ging sie zur Haki-Karer-Akademie und beteiligte sich am Umstrukturierungsprozess der Guerilla. Nach Nordkurdistan kehrte Adar Amed als führende Kommandierende der YJA Star zurück.


Dicle Sêrt

Dicle Sêrt wurde als Angehörige der in Botan ansässigen Stammesföderation der Harûnî in Şirnex (Şırnak) geboren. Der Familienverband mit seinem traditionellen Siedlungsgebiet um Sêrt (Siirt) ist als besonders widerständiges Bündnis gegen die antikurdische Unterdrückungspolitik des türkischen Staates bekannt und unterstützt den Befreiungskampf der PKK seit dem „ersten Schuss“, der 1984 gegen die Besatzungsmacht abgegeben wurde – ebenfalls in Botan. Zahlreiche Mitglieder der Harûnî sind Teil der „Karawane der Gefallenen“.

Im Dorf ihrer Eltern aufwachsen konnte Dicle Sêrt nicht, da es in den 1990er Jahren im Zuge der „Aufstandsbekämpfung“ vom türkischen Staat niedergebrannt wurde. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie daher in Şirnex. Als Kurdin erlebte sie den Widerspruch zum herrschenden System relativ früh und erkannte, dass die Verteidigung der eigenen Existenz gegenüber der „Politik des Feindes“ ohne einen „wahrhaftigen Kampf“ nicht möglich ist. Erste praktische Erfahrung im Widerstand machte sie in kulturellen Einrichtungen mit dem Schwerpunkt Frauenarbeit, in der Folge war sie in den Jugendstrukturen aktiv. „Damals begab sich Hevala Dicle auf die Suche nach Lösungen, den Widerstand auf eine andere Stufe zu tragen. Den Erfordernissen der Zeit entsprechend entschied sie sich, Teil des bewaffneten Kampfes in den Bergen zu werden“, erklären die HPG.


Diesen Entschluss fasste Dicle Sêrt im Jahr 2010, der Guerilla schloss sie sich in Botan an. Damals kämpfte sie auch eine Zeitlang in Amed, später zog es sie in die Medya-Verteidigungsgebiete. Insgesamt zwölf Jahre war sie Teil der kurdischen Guerillabewegung, die letzte Zeit wieder in Amed. „Sie war eine der unzähligen Pionierinnen des Frauenbefreiungskampfes und führende Kommandantin der YJA Star. Sie wird uns stets als Freundin, Weggefährtin und Genossin in Erinnerung bleiben.“

HPG: Eine Quelle der Inspiration und Kraft für alle Frauen dieser Welt

Angesichts des Verlusts von Diren Wan, Adar Amed und Dicle Sêrt sprechen die HPG ihren Angehörigen, der YJA Star, und der kurdischen Gesellschaft ihr Mitgefühl aus. „Sie kämpften bis zum letzten Moment und verteidigten die Widerstandstradition unserer Partei bis zu ihrem letzten Atemzug. Sie gehörten jener YJA Star an, die auch auf den höchsten Gipfeln der Berge Kurdistans kämpfen, um das 21. Jahrhundert zum Jahrhundert der Frauen und der widerständigen Völker zu machen. Diren, Adar und Dicle leisteten Widerstand gegen die Mentalität der patriarchalen Nationalstaaten, die ihre Macht durch die Vertiefung der Unterdrückung und Versklavung der Frau festigen wollen. Sie waren und sind eine Quelle der Inspiration und Kraft für alle Frauen dieser Welt. Wir versprechen, die von ihnen an uns übergebene Fahne des Sieges ins Ziel zu tragen.“