HDP-Abgeordnete protestieren gegen Femizide

Die HDP-Abgeordneten haben eine Sitzung der parlamentarischen Kommission für die Gleichstellung von Frauen und Männern verlassen und Plakate mit den Namen von 106 Frauen zurückgelassen, die in den ersten vier Monaten dieses Jahres ums Leben gekommen sind.

Die Mitglieder der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in der parlamentarischen Kommission für die Chancengleichheit von Frauen und Männern protestierten am Donnerstag gegen Innenminister Süleyman Soylu, als dieser in dem Ausschuss einen Vortrag über Gewalt gegen Frauen hielt.

Soylu hat zweieinhalb Stunden des Landes vergeudet“

Die HDP-Abgeordnete Filiz Kerestecioğlu wandte sich in der Sitzung an den Minister und kritisierte, dass Soylu mit seiner „Erwiderung“ auf die Anschuldigungen des Mafiabosses Sedat Peker in einer Live-Sendung, „zweieinhalb Stunden des ganzen Landes vergeudet“ habe. Der Innenminister befindet sich aktuell im Fokus eines Mafiaskandals, bei dem es sich unter anderem um seine Verwicklung in den Drogenhandel und die organisierte Kriminalität dreht.

Kerestecioğlu wurde verwarnt, weil sie „von der Agenda der Kommission“ abgewichen sei. Auf die Verwarnung erwiderte die Politikerin: „Sie können warnen, ich kann kritisieren. Das können sie nicht behindern, das nennt man Repression.“

Wir haben 21 Fragen“

Weiter betonte Kerestecioğlu, dass die HDP nicht zulassen werde, „dass die von der Regierung geschaffene sexistische Sprache in der Politik und in der Kommission für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen legitimiert wird“. An Innenminister Soylu gewandt sagte sie: „Wir haben hier 21 Fragen vorbereitet. Wir haben sie dem Kommissionsvorsitzenden vorgelegt, der Ihnen die Fragen geben wird. Da Sie nicht so gerne Fragen beantworten, haben wir sie extra in schriftlicher Form eingereicht.“

Unter Bezugnahme auf die von Soylu bei früheren Gelegenheiten gezeigten Grafiken und Plakate sagte sie: „Wir haben auch Plakate. In den ersten vier Monaten des Jahres 2021 wurden 106 Frauen ermordet. Wir lassen ihre Namen hier. Sie erinnern sich manchmal nicht an die Namen von Frauen.“

Frauen werden weiter ermordet, solange die patriarchale Politik bleibt“

Zum System zur Unterstützung von Frauen in Not durch das Innenministerium (KADES) sagte die Abgeordnete: „Sie können über KADES reden, so viel Sie wollen, aber KADES hat die Frauen auch nicht gerettet.“. Sie kritisierte Soylu dafür, dass der Innenminister falsche Behauptungen von „abnehmender Gewalt gegen Frauen" nach dem Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention unterstützt habe. Die Abgeordnete fuhr fort: „Wir wollen eine saubere Gesellschaft, wir wollen eine saubere Politik und eine saubere Justiz. Wir wissen, dass die Menschen in diesem Land keine Geduld mehr haben. Wir wissen, dass Frauen weiterhin getötet werden, solange die schmutzige und sexistische Struktur der patriarchalen Politik bestehen bleibt."

Man möchte nur noch in den Himmel schauen, weil das Gesicht der Erde so schmutzig ist“

Kerestecioğlu sprach auch über Soylus Aussage, dass „es in der Türkei keine Folter oder ungeklärte Morde“ gäbe. Sie beendete ihre Rede mit einem aktuellen Social-Media-Post von Türkan Elçi, der Ehefrau des von Polizisten erschossenen Vorsitzenden der Anwaltskammer von Amed, Tahir Elçi: „Versteinert angesichts dieser einfachen Behauptung möchte man nur noch in den Himmel schauen, weil das Gesicht der Erde so schmutzig ist.“

Nach Kerestecioğlus Rede ließen die HDP-Abgeordneten die Plakate mit den Namen von 106 Frauen, die in den ersten vier Monaten des Jahres 2021 von Männern ermordet wurden, auf den Tischen liegen und verließen aus Protest den Kommissionssaal.