HDP fordert Untersuchungsausschuss zu Mafia-Verbindungen

Die HDP fordert einen parlamentarischen Ausschuss zur Untersuchung der Aussagen über die Verbindungen zwischen Mafia und Politik in der Türkei.

Die Demokratische Partei der Völker (HDP) fordert einen Untersuchungsausschuss für die von Mafiaboss Sedat Peker veröffentlichten Aussagen über die Verbindungen zwischen Staat, Regierung und organisiertem Verbrechen, die seit Tagen Millionen Menschen in der Türkei beschäftigen. Der Vizefraktionsvorsitzende Saruhan Oluç hat sich auf einer Pressekonferenz im Parlament in Ankara zu dem Thema geäußert und ging dabei zunächst auf die Ablenkungsmanöver von Staatspräsident und AKP-Chef Tayyip Erdoğan ein. Wann immer die Regierung sich in Bedrängnis sehe, bringe sie einen möglichen Putsch ins Gespräch, sagte Oluç:

„Um sich auf den Beinen zu halten, spricht die Regierung ständig von einem drohenden Putsch. Das stimmt nicht. Es besteht keine Putschgefahr gegen diese Regierung. Die vermeintliche Bedrohung wird als politische Taktik benutzt, um Diskussionen abzuwürgen und eine Untersuchung der aufgestellten Behauptungen zu verhindern. Seit zwei Tagen hören wir von den Regierungspartnern, dass die Türkei angegriffen wird. Auch das stimmt nicht. Es geht nicht um die Türkei, es geht um die Regierungskoalition, um ihre Fehler und ihre unsichtbaren Bündnispartner. Die Regierung ist nicht die Türkei. Sie ist nur ein Teil davon.“

Die Regierung verbreite Angst und tue so, als ob das Land in Gefahr wäre, um von sich selbst abzulenken, erklärte der HDP-Politiker: „Die Türkei wird jedoch nicht bedroht und ist auch nicht das Diskussionsthema. Diskutiert wird nicht über die Türkei, sondern über die falsche Regierungspolitik. Es wird nicht erstens nicht über einen Putsch gesprochen und zweitens nicht über die Türkei, es wird über die Regierung gesprochen.“

Das Thema sei jedoch nicht neu für die Türkei, sagte Oluç und verwies auf den Susurluk-Skandal von 1996. Aktuell werde die Verbindung zwischen Politik und Mafia nur ein weiteres Mal thematisiert. Oluç verwies auf die innige Beziehung zwischen Sedat Peker und der Erdogan-Regierung und nannte als Beispiele die Unterstützung des Mafiapaten für die Einführung des Präsidialsystems 2017 und im Wahlkampf 2018. Außerdem erinnerte er daran, dass Peker Hilfslieferungen an die von der türkischen Regierung unterstützten dschihadistischen Gruppen in Syrien initiiert und den „Friedensakademiker:innen“ mit einem Blutbad gedroht hatte. Dass er Erdogan mit „Bruder Tayyip“ anspreche, verweise auf die Verstrickung zwischen Mafia und Regierung.

„Was muss also getan werden? Wenn die Türkei ein Rechtsstaat wäre und es eine unabhängige und unparteiische Justiz geben würde, hätte die Regierungskoalition sich nicht hinter diese schmutzigen Anschuldigungen und Verbindungen gestellt, sondern für Ermittlungen gesorgt. Da es eine solche Justiz in der Türkei jedoch nicht gibt, ist nichts in dieser Richtung unternommen worden. Die Koalitionspartner sagen, dass sie dieses System aufrecht erhalten wollen. Ihre einzige Sorge ist das Wohlergehen der Regierung.“

Um von sich selbst abzulenken, setze die Regierung auf nationalistische Äußerungen und Vaterlandsliebe und greife die Opposition an, sagte Oluç. Erdogan habe die Opposition öffentlich bedroht und zur Lynchjustiz aufgerufen. Das sei äußerst gefährlich und nicht hinnehmbar. Die im Susurluk-Skandal aufgeflogenen Akteure in der Verbindung zwischen Mafia, Bürokratie und Politik seien auch heute noch fast vollständig Partner der Regierungskoalition.

„Diese Akteure, die 17.000 extralegale Hinrichtungen geplant und durchgeführt haben, sind auch die Partner der heutigen Regierung. Das war uns bereits bekannt, aber es hat sich jetzt ein weiteres Mal herausgestellt. Der damalige Generalstabschef hat in dieser Zeit von einem Krieg niedriger Intensität gesprochen. Von diesem schmutzigen Krieg haben sich mafiöse Organisationen ernährt und sind daran gewachsen. In dieser Atmosphäre des Kriegs gegen das kurdische Volk haben sich Strukturen entwickelt, die auch heute noch von Konflikten von Syrien bis Libyen profitieren und ihre Verbindungen aufrecht erhalten. Wo Krieg und Konflikte herrschen, wo Feindschaft gegen das kurdische Volk praktiziert werden kann, da entstehen Mafia-Strukturen. Wer damals vom Krieg profitiert hat, tut es noch heute. Was also ist die Lösung des Problems? Das sagen wir sehr eindeutig: Die Gewährleistung einer Demokratisierung der Türkei und einer demokratischen und friedlichen Lösung der kurdischen Frage, eine unabhängige und unparteiische Intervention der Justiz gegen diese Art schmutziger Verbindungen und das Eingreifen des Parlaments“, sagte der HDP-Vizefraktionsvorsitzende zur Begründung des geforderten parlamentarischen Untersuchungsausschusses.