Der türkische Mafiapate Sedat Peker hat in einem heute veröffentlichten Video den ehemaligen Polizeichef und Innenminister Mehmet Ağar für ungeklärte Morde an kurdischen Geschäftsmännern in den neunziger Jahren verantwortlich gemacht. Namentlich benannte Peker unter anderem Behçet Cantürk und Savaş Buldan. Letzterer war Ehemann der HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und wurde am 3. Juni 1994 zusammen mit seinen Freunden Adnan Yıldırım und Hacı Karay beim Verlassen eines Hotels in Istanbul von Personen in Polizeiuniform verschleppt. Einen Tag später tauchten die Leichen der drei Männer in der 270 Kilometer entfernten Stadt Bolu auf. Buldan und seine Freunde waren gefoltert und mit Kugeln in den Kopf und die Brust erschossen worden. Zahlreiche Brandwunden bedeckten ihre Körper, an manchen Stellen hatte sich die Haut abgelöst.
Nur Stunden nach Veröffentlichung des neuen Videos von Peker wurde am Sonntag bekannt, dass der „JITEM-Prozess von Ankara“ neu aufgerollt wird. Ein Berufungsgericht in Ankara hat die Freisprüche für neunzehn Angeklagte in dem Verfahren um das „Verschwindenlassen“ von 19 kurdischen Politikern, Anwälten, Geschäftsleuten und Beamten zwischen den Jahren 1993 und 1996, darunter Savaş Buldan, aufgehoben und die Wiederaufnahme angeordnet. Unter den Ende 2019 freigesprochenen Angeklagten befindet sich auch Mehmet Ağar. Dieser war 1996 in Folge des sogenannten Susurluk-Skandals als Innenminister zurückgetreten. Damals war durch einen Verkehrsunfall nahe Susurluk im Westen der Türkei die Zusammenarbeit zwischen Staat und organisiertem Verbrechen offenkundig geworden.
„Wir sagen es seit Jahren und jetzt wieder: Savaş Buldan und seine Freunde sind von denjenigen getötet worden, die den Staat regierten“, sagte Pervin Buldan und kündigte juristische Schritte an, um die Mörder ihres Mannes vor Gericht zu sehen. Diese seien in einem „Schauprozess“ freigesprochen worden, „jetzt kehren wir zum Anfang zurück“. Buldan hatte am Tag der Ermordung ihres Mannes eine Tochter zur Welt gebracht. Zelal Buldan hat ihren Vater nie kennengelernt. Zu seinem Todestag veröffentlichte sie 2020 ihren Dokumentarfilm „About my father: Katharsis“.
Pervin Buldan und ihre beiden Kinder, in der Mitte ein Foto von Savaş Buldan | © Zelal Buldan
Weitere Unterstellungen von Peker
Der rechtsextreme Mafiapate Sedat Peker sorgt seit Wochen in der Türkei mit Videos auf der Plattform YouTube, in denen er auch dem amtierenden Innenminister Süleyman Soylu Verbindungen zur organisierten Kriminalität unterstellt, für Aufregung. Mit Blick auf Ex-Innenminister Mehmet Ağar behauptete Peker in seinem jüngsten Video, dass dieser auch in die Morde an dem türkischen Journalisten Uğur Mumcu und dem türkisch-zypriotischen Journalisten Kutlu Adalı verwickelt gewesen sei. Beide waren ebenfalls in den 90er Jahren getötet worden. Zudem hätten Ağar und ein Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım Verbindungen in den internationalen Drogenschmuggel. Beweise für die Anschuldigungen gibt es nicht. Der Türkei-Vertreter der Organisation Reporter ohne Grenzen, Erol Önderoğlu, fordert eine Untersuchung von Pekers Vorwürfen.