In Dutzenden Städten in der Türkei und Nordkurdistan haben Frauen am Samstag gegen die drohende Annullierung der Istanbuler Konvention und das Beharren auf dem Gesetzentwurf zu Kinderehen protestiert. Zu den Aktionen aufgerufen hatte die „TCK301 - Frauenplattform gegen die Amnestie für sexuellen Missbrauch an Kindern“.
Eine der Aktionen fand am Eminönü-Anleger im Istanbuler Stadtteil Kadiköy statt. Die Teilnehmerinnen protestierten mit einer lila Kette gegen die staatliche Politik gegen erkämpfte Frauenrechte. Auf Transparenten wurden die Umsetzung der Istanbuler Konvention und die Rücknahme des Kindesmissbrauchsgesetzentwurfs gefordert. Die Frauen trugen Schilder mit der Aufschrift „Isyan!“ (türk. Aufstand).
Das von AKP und MHP anvisierte Gesetz sieht unter anderem die Straffreiheit von Vergewaltigung Minderjähriger vor, wenn das Opfer mit dem Täter verheiratet wird. Die Frauen in Istanbul forderten in Sprechchören „Nicht die Täter, die Kinder schützen“ und machten deutlich, dass bei Missbrauch kein Einvernehmen vorliegen kann. „Wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht, wir gehorchen nicht“ und „Jin Jiyan Azadî“ lauteten weitere Parolen bei der Aktion.
Im Namen der Plattform erklärte Gamze Abay: „Als Frauenorganisationen beobachten wir besorgt die Initiative für eine Amnestie im Zusammenhang mit Artikel 103 des türkischen Strafgesetzbuches, der den Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen regelt.“ Das Gesetzesvorhaben sehe vor, dass eine schwere Straftat wie Missbrauch straffrei bleibe.
Gamze Abay wies darauf hin, dass der Entwurf zur Amnestie von Missbrauchstätern vor den Parlamentsferien am 15. Juli eingebracht werden soll und Frauen aus diesem Grund im Daueraufstand sind. Während die Frauen gegen die Amnestie kämpften, hätten sie von den Vorbereitungen eines Austritts der Türkei aus der Istanbuler Konvention gegen Gewalt an Frauen gehört. Eine Abwendung von der Konvention sei eine Ermunterung für gewalttätige Männer und eine Gefahr für alle Frauen. Von Gewalt betroffenen Frauen solle damit der Mut genommen werden, sich an staatliche Mechanismen zu wenden, so die Erklärung.
Es sei grundlegende und vorrangige Aufgabe des Staates, Minderjährige vor sexuellem Missbrauch zu schützen. Die Amnestieinitiative müsse sofort zurückgenommen und niemals wieder auf die Agenda gebracht werden, so Gamze Abay. Zum Schluss hieß es in der Erklärung der Frauenplattform: „Stoppt Gewalt gegen Frauen und Mädchen! Gebt es auf, erkämpfte Frauenrechte zu bedrohen!“
Die Aktion wurde mit Parolen und Trillern beendet.