Frauenverbände verurteilen Gewalt gegen DEM-Abgeordnete

Bei einer von AKP-Abgeordneten provozierten Schlägerei im türkischen Parlament wurde die DEM-Abgeordnete Gülistan Kılıç Koçyiğit verletzt. Frauenverbände verurteilten die Gewalt auf das Schärfste.

Gülistan Kılıç Koçyiğit

„Die Gesellschaft in der Türkei hat ein Männerproblem, ein Problem mit Gewalt, Aggressivität und einer zur Schau gestellten Männlichkeit“, erklärten mehrere Frauenverbände am Montag auf einer Kundgebung in Amed (tr. Diyarbakır). Anlass war die von AKP-Politikern in der vergangenen Woche ausgelöste Schlägerei im türkischen Parlament, bei der die kurdische Politikerin Gülistan Kılıç Koçyiğit durch einen Faustschlag eine Platzwunde am Kopf erlitt. Koçyiğit, die Vizefraktionsvorsitzende der DEM-Partei ist, hatte versucht, das Handgemenge zu unterbrechen, zu dem es während einer hitzigen Debatte über einen inhaftierten Oppositionsabgeordneten gekommen war. „Daraufhin wurde sie selbst zum Ziel dieser faschistischen Gewalt“, betonten die Bewegung freier Frauen (TJA) sowie die Frauenräte der Parteien DEM und DBP in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Schlägerei bei Sitzung zu Can Atalay

Am Freitag hatte das Parlament eine außerordentliche Sitzung zur Situation des Menschenrechtsanwalt Can Atalay abgehalten. Atalay war im April 2022 im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 wegen Beihilfe zu einem Umsturzversuch zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2023 wurde er für die Arbeiterpartei TIP zum Abgeordneten gewählt. Das Verfassungsgericht ordnete Atalays Freilassung an – der untergeordnete Kassationshof entschied jedoch, dies nicht umzusetzen.

Gülistan Kılıç Koçyiğit (grüne Jacke) sprang als erste auf, nachdem Şık während seiner Rede über seinen Parteigänger Can Atalay zu Boden geschlagen wurde. Das Urteil gegen Atalay in dem sogenannten Gezi-Prozess gilt als politisch motiviert und wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als unrechtmäßig beschieden. Die Gezi-Proteste von 2013 richteten sich auch konkret gegen den damaligen Ministerpräsidenten und jetzigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan | Foto via Gazete Oksijen


Fernsehbilder zeigten, wie Ahmet Şık, ebenfalls Abgeordneter der TIP, von Alpay Özalan aus dem Lager der islamistischen Erdoğan-Partei AKP angesprochen und angegriffen wurde, während er im Plenum eine Rede hielt. Şık hatte gerade die Regierungspartei als „terroristische Organisation“ bezeichnet und ihr vorgeworfen, das Land wie eine „Mafia“ zu regieren. Er sei nicht überrascht, dass Atalay als „Terrorist“ bezeichnet werde, die größten Terroristen des Landes seien jedoch jene, „die hier auf diesen Bänken sitzen“, fügte Şık in Anspielung auf die Regierungsmehrheit noch hinzu, als er von Özalan niedergeschlagen wurde und zu Boden stürzte. Alpay Özalan ist ein ehemaliger Fußballspieler, der zeitweise für den 1. FC Köln spielte.

Die DEM-Abgeordnete Gülistan Kılıç Koçyiğit rannte als eine der ersten zum Rednerpult, um den binnen weniger Sekunden zu einer Schlägerei ausgeuferten Übergriff auf Şık zu stoppen. Auch der CHP-Abgeordnete Okan Konuralp wurde verletzt, als die Fäuste mehrerer hinzugeeilter Abgeordneter der AKP und deren Bündnispartner MHP auf die Oppositionsmitglieder flogen. Zurück blieben Blutstropfen auf den Stufen zum Rednerpult.

TJA, DEM und DBP: Wir werden nicht schweigen

„Der Vorgang ist ein Indiz für die frauenfeindliche Politik der AKP/MHP-Regierung, die angesichts der Zunahme von Gewalt und Massakern gegen Frauen nichts tut und die erkämpften Rechte der Frauen immer wieder angreift“, erklärte die TJA-Aktivistin Bahar Peker. Sie bezeichnete den Faustschlag gegen „Genossin Gülistan“ als „Angriff auf den Willen, die Farbe, die Haltung, die Politik und den Kampf der Frauen“. „Und mit der Kraft, die wir aus der Geschichte des Frauenkampfes schöpfen, werden wir wachsen und unseren organisierten Kampf gegen Krieg, Gewalt, die männerdominierte Mentalität, Vernichtung und Assimilation verstärken. Wir werden nicht schweigen und die Gewalt gegen Frauen überall bekämpfen“, so Peker.