Am kommenden Dienstag wird das türkische Parlament über einen Gesetzesentwurf zur Straffreiheit sexueller Handlungen mit Minderjährigen debattieren. Der Entwurf sah schon in seiner ersten Fassung vom 16. November 2016 vor, dass die Strafe ausgesetzt werden kann, wenn der Täter sein minderjähriges Opfer heiratet oder der sexuelle Missbrauch vor dem 16. November 2016 stattgefunden hat. Außerdem dürfte es bei dem Missbrauch nicht zu „Gewalt“ oder „Drohungen“ gekommen sein oder gegen den Willen des Kindes gehandelt worden sein. Frauenrechtsorganisationen kritisierten damals, der Entwurf sei in sich widersprüchlich und bedeute nichts anderes als eine „Amnestie für Sexualstraftäter“. Außerdem könnten damit Kinderehen gerechtfertigt werden.
Die Regierung erklärte damals, mit diesem Vorgehen rechtliche Probleme bei Ehen mit Minderjährigen lösen zu wollen, da in der Türkei viele nicht legale Kinderehen geschlossen würden. Man habe Kenntnis von 3.000 Familien, deren Väter deshalb kriminalisiert und im Gefängnis seien. Mit dem Entwurf wolle man Abhilfe schaffen. Es gehe schließlich um den Schutz der Familie.
Gegen das Gesetz waren vor drei Jahren etliche Menschen landesweit auf die Straße gegangen. Eine Online-Petition erreichte zudem 730.000 Unterschriften. Daraufhin musste die AKP ihren Gesetzesentwurf zurückziehen – offiziell, um ihn zu überarbeiten. Der damalige Ministerpräsident Binali Yildirim hatte erklärt, die AKP wolle die Meinung der Opposition und aus der Gesellschaft hören und den Gesetzesentwurf umformulieren. Ob der Entwurf tatsächlich bearbeitet wurde, ist fraglich.
Mit der bevorstehenden Debatte bereitet sich die Frauenbewegung in der Türkei wieder auf eine große Protestwelle vor. Angekündigt sind bisher Demonstrationen und Proteste in Istanbul, Ankara, Çanakkale, Antalya, Mersin, Izmir, Artvin, Eskişehir, Manisa, Didim, Muğla, Bodrum, Kocaeli, Zonguldak, Trabzon, Samsun, Antakya, Amed (Diyarbakir), Dîlok (Antep), Mêrdîn (Mardin), Riha (Urfa), Êlih (Batman), Ezirgan (Erzincan), Wan (Van) und Şirnex (Şırnak).