Frauen-Symposium der TMMOB: „Organisieren, widerstehen, verändern“

In Ankara fand ein Frauen-Symposium der Türkischen Ingenieur- und Architektenkammer statt. Im Mittelpunkt standen patriarchale Gewalt, Ausbeutung, soziale Ungleichheit sowie Strategien zur Organisierung von Frauen in Beruf und Gesellschaft.

„Widerstand, Organisation, Wandel“

Unter dem Motto „Widerstand, Organisation, Wandel“ fand das 6. Frauen-Symposium der Türkischen Ingenieur- und Architektenkammer (TMMOB) im Bildungs- und Kulturzentrum der Ingenieurkammer in Ankara statt. Im Mittelpunkt der Diskussionen am Samstagabend standen Gewalt gegen Frauen, Ausbeutung, soziale Ungleichheit sowie Strategien zur Organisierung von Frauen in Beruf und Gesellschaft.

Bereits in der ersten Sitzung wurde die Dringlichkeit eines effektiven staatlichen Handelns betont. Rechtsanwältin Ezgi Sürer kritisierte die Untätigkeit der Justiz gegenüber Feminiziden: „Schon die konsequente Umsetzung bestehender Gesetze könnte viele Frauenleben retten. Doch während immer mehr Frauen ermordet werden, hören wir stattdessen Forderungen nach Strafverschärfung wie Todesstrafe oder Zwangskastration – statt wirksamer Prävention.“

Defizite bei der Umsetzung des Gesetzes 6284

Auch Yelda Koçak vom Vorstand der Anwaltskammer Istanbul beklagte Defizite bei der Umsetzung des Gesetzes 6284 zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen. Sie erinnerte an das bahnbrechende Opuz-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), in dem die Türkei wegen unterlassener Schutzmaßnahmen verurteilt wurde. Nahide Opuz hatte wiederholt Beschwerde gegen die Gewalt ihres Ehemanns eingereicht und um Schutz gebeten, ihre Hilfeersuchen blieben jedoch ohne Erfolg – selbst, nachdem er ihre Mutter ermordete. In dem Straßburger Prozess wurde die Türkei zum ersten Mal als Staat in einem Fall von Gewalt gegen Frauen als verantwortlich verurteilt. Im Fall der Kurdin aus Amed (tr. Diyarbakır) liegt auch die Istanbul-Konvention begründet – das erste internationale rechtsverbindliche Instrument, mit dem Frauen und Mädchen vor allen Formen von Gewalt geschützt werden sollen. 

Strukturelle Ungleichheit: schlechte Bezahlung, unsichtbare Arbeit

In ihrer Analyse zur Verknüpfung von Frauenbeschäftigung und Bevölkerungspolitik erklärte Dozentin Dr. Selin Pelek, dass Frauen im Arbeitsmarkt nicht nur unterrepräsentiert, sondern auch überdurchschnittlich schlecht bezahlt seien. Es brauche klare Strategien für eine kollektive Gegenwehr. Professorin Dr. Selcen Öztürk betonte, dass unbezahlte Haus- und Pflegearbeit Frauen doppelt benachteilige – materiell und zeitlich. „Frauen erleben in der Türkei sowohl Einkommens- als auch Zeitarmut“, so Öztürk.

Digitale Diskriminierung: Künstliche Intelligenz mit Vorurteilen

Melek Bar Elmas, Mitglied der Frauenkommission der Kammer der Computer-Ingenieur:innen, veranschaulichte anhand von Google Translate und iPhone-Tastaturen, wie tief Genderstereotype auch in Technologie verankert sind. „Künstliche Intelligenz wird von Menschen mit patriarchalem Denken programmiert – mit entsprechenden Ergebnissen.“ Auch auf dem Arbeitsmarkt verschärfe sich die Ungleichheit mit dem Alter: „Mit steigendem Titel sinkt die Repräsentation von Frauen. Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen über 40 liegt bei 26 Prozent.“

Unsichtbare Arbeit, mangelnde Aufstiegschancen

Prof. Dr. Gülay Toksöz führte weiter aus, dass laut offiziellen Daten Frauen in der Türkei 80 Prozent der Hausarbeit und 90 Prozent der Kinderbetreuung übernehmen. Nur jede fünfte Führungskraft sei eine Frau. „Frauen, die Kinder bekommen, verdienen im Schnitt 29 Prozent weniger als Männer“, so Toksöz. Eine Reform der Arbeitsbedingungen – insbesondere flexible Arbeitszeiten für beide Elternteile und ein gesichertes Recht auf Kita-Plätze – sei dringend nötig.

Widerstand und Organisation in Berufskammern

Im letzten Teil des Symposiums sprach Hanze Gürkaş über die Entwicklung feministischer Organisierung innerhalb der Berufskammern: „Seit dem ersten Frauenkongress 2009 haben wir Strukturen aufgebaut. 2017 sagten wir ‚Wir sind Frauen im Ausnahmezustand‘ – und der Ausnahmezustand dauert an. Die Angriffe auf unsere Rechte gehen weiter. Aber auch unser Widerstand wächst. Wir organisieren uns, wir kämpfen, wir verändern.“

Zum Abschluss fand ein Forum unter dem Titel „Frauen und Demokratie“ statt, in dem Teilnehmer:innen über politische Perspektiven und neue Bündnisse diskutierten.