Frauen in Dirbesîyê betreiben Naturmedizin

Die Revolution von Rojava ist mit der Suche nach traditionellem Frauenwissen in der Gesellschaft verbunden. Das gilt insbesondere auch für das tradierte Wissen der Naturmedizin.

Die Revolution von Rojava ist auf dem Grundsatz der demokratischen Moderne aufgebaut, die diametral der zerstörerischen kapitalistischen Moderne gegenübersteht. Diese kulturelle und soziale Revolution durchzieht alle Gesellschaftsbereiche. Tradiertes Wissen, insbesondere das von Frauen über Generation zu Generation vererbte Spezialwissen, soll wieder aktiviert und in die Gesellschaft eingebracht werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Nachhaltigkeitsprozessen. Das gilt auch für den medizinischen Bereich. Während die Region unter einem Embargo steht, und medizinische Versorgung schwierig ist, greifen die Menschen immer stärker auf Naturmedizin zurück. Eine der Praktikerinnen der Naturmedizin ist Khalisa Celebi Ahmad. Lucas Chapman veröffentlichte eine Reportage über sie bei der North Press Agency. Wir haben uns entschieden, das was er über die Heilerinnen in Nordsyrien berichtet, auch dem deutschsprachigen Publikum zugänglich machen.

Khalisa Celebi Ahmad arbeitet mit unterschiedlichen Ölen

Khalisa Chelebi Ahmad steht vor einem Regal voller verschiedenfarbiger Öle und gießt sie fleißig eins nach dem anderen in eine kleine leere Wasserflasche. „Das ist Walnussöl“, erklärt sie, während sie den Deckel abnimmt und die dicke schwarze Flüssigkeit in die kleine Flasche vor sich schüttet, die sie schließlich verschließt und die Mischung aufschüttelt. „Das ist für Menschen mit schütterem Haar oder Menschen, die ihre Haare verlieren“, sagt sie lächelnd.

Das Ari-Zentrum für Naturmedizin im nordsyrischen Dirbesîyê ist spartanisch eingerichtet – es gibt ein Büro, eine kleine Küche, einen Physiotherapieraum und einen Raum voller Öle, Kräuter und anderer Naturheilmittel. Die Wände sind nur mit der Fahne der „Stiftung der freien Frau in Syrien” WJAS und Regalen mit Kräutern und Ölen geschmückt.

Ahmad begann in ihrer Jugend von ihrer Mutter und Großmutter Naturmedizin zu lernen und übt diese Tätigkeit seit 28 Jahren aus. Sie praktizierte von zu Hause aus, bis die „Stiftung der freien Frau in Syrien” ein Zentrum für Naturmedizin aufbaute. An den Moment, als sie gefragt wurde, ob sie dort arbeiten möchte, erinnert sie sich lächelnd: „Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, ich sagte ja. Das war etwas, das ich wollte.”

Das Zentrum wurde im April 2018 eröffnet, was Ahmad als einen großen Schritt sowohl für das Zentrum als auch für die Stiftung beschreibt. Sechs Monate nach der Eröffnung des Zentrums beschlossen die dort arbeitenden Frauen, eine Abteilung für Physiotherapie aufzubauen. „Wir haben viele Kinder mit Behinderungen und es gibt viele Frauen, die sich über ihren Rücken beklagen“, sagt Ahmad und fährt fort: „Die Frauen fühlen sich bei uns wohler.“

Das Zentrum ist auch eine kostengünstige Alternative zum städtischen Krankenhaus. Laut einer der Physiotherapeutinnen des Zentrums, verlangt das Ari-Zentrum nur eintausend syrische Pfund (1,72 Euro) für eine Sitzung, die in den städtischen Krankenhäusern bis zu 3.500 Pfund kosten würde.

Wir kehren zur Naturmedizin zurück“

Laut Ahmad fanden viele Patient*innen, die von den Nebenwirkungen oder der Unwirksamkeit der klassischen Medizin oder chirurgischer Eingriffe frustriert waren, Hilfe bei ihnen. Sie berichtet, sie habe Fruchtbarkeitsprobleme, Bandscheibenvorfälle und viele andere Leiden mit natürlichen Medikamenten und Physiotherapie behandelt.

Ahmad hofft, dass die Natur- und Kräutermedizin einen großen Einfluss auf die Region haben wird. Sie sagt: „Das habe ich von meiner Mutter gelernt. Seit Tausenden von Jahren benutzen die Menschen Naturmedizin. Und jetzt kehren wir, unsere Familien und unsere Gesellschaft nach und nach zur Naturmedizin zurück. Das Zentrum unternimmt Schritte, um sicherzustellen, dass Naturheilmittel für alle verfügbar sind. „Wir haben einen Kurs begonnen und Studentinnen in Kräutermedizin unterrichtet. Wir haben auch ein Buch, das, so Gott will, bald veröffentlicht werden wird. Und wir planen, in Zukunft noch bessere Dinge zu tun.“

Titelbild: North Press Agency