Im kurdischen Stadtviertel Şêxmeqsûd in Aleppo ist ein Forschungszentrum für Jineolojî (ku. „Wissenschaft der Frau”) eröffnet worden. An der Einweihungszeremonie beteiligten sich hunderte Menschen, die auch aus dem benachbarten Viertel Eşrefiyê gekommen waren. Anwesend waren zudem zahlreiche Aktivistinnen von Kongreya Star, dem Dachverband der Frauenbewegung in Nord- und Ostsyrien.
Die Zeremonie begann mit einer Schweigeminute für die Gefallenen der Rojava-Revolution und kurdischen Freiheitsbewegung. Die erste Rede hielt Zeyneb Efrîn von der Koordination von Kongreya Star. „Wir sind stolz, in Aleppo, der kleinen ‚Wiege der Zivilisation‘, dieses Zentrum hier eröffnen zu können“, sagte Efrîn. Von Beginn der Menschheitsgeschichte an wurden Frauen unterdrückt, jedoch gab es immer Kämpfe von Frauen, die rebellierten, fuhr die Aktivistin fort. „Als Frauenbewegung sagen wir, die Frau war die erste Kolonie. Damit drücken wir aus, dass auch die heutigen Unterdrückungsmechanismen auf der Versklavung der Frau basieren. Der Widerstand dagegen wird andauern, bis wir vollkommen frei sind und ein gleichberechtigtes Leben führen.“
Ein Foto der ägyptischen Feministin und Autorin Nawal El Saadawi, die kürzlich gestorben ist
Jineolojî bedeutet radikales Denken
Jineolojî als Wissenschaft der Frau kritisiert das elitäre, patriarchale, positivistische Verständnis von Forschung und Lehre. Dieses radikale Denken entwickelt Wissen und Methoden für die Erforschung und Überwindung patriarchaler, staatlicher und kapitalistischer Wissens- und Herrschaftsformen mit dem Ziel der Frauenrevolution für eine freie Gesellschaft. Das erste Mal schrieb Abdullah Öcalan 2008 in seiner Verteidigungsschrift „Soziologie der Freiheit“ von Jineolojî. Darin heißt es: „Solange das Wesen der Frau im Dunkeln bleibt, ist es nicht möglich das Wesen der Gesellschaft aufzuklären. (...) Um die Geschichte der Kolonialisierung von Frauen zu lösen – einschließlich ihrer wirtschaftlichen, sozialen, politischen und mentalen Kolonialisierung – wird die Aufklärung aller anderen Fragen in der Geschichte und allen Seiten der heutigen Gesellschaften nicht möglich sein.“
Das Navenda Lêkolînê Jineolojî ya Heleb in Şêxmeqsûd
Zeyneb Ibo, die ebenfalls zum Vorstand von Kongreya Star gehört, ergriff ebenfalls das Wort. Die kolonialen und patriarchalen Unterdrückungsmechanismen gegen Frauen seien weiterhin Gegenstand anhaltender Spannungen innerhalb der Gesellschaft, aber der Kampf für ein Leben in Freiheit trage spätestens seit der Rojava-Revolution ihre Früchte. „Schließlich war die Revolution von Rojava eine Frauen-Revolution. Wir haben diesen Kampf angeführt und geprägt.“ Die Eröffnungsfeier wurde mit musikalischen Beiträgen verschiedener Frauengruppen fortgesetzt. Mit ausgiebigen Tänzen endete die Zusammenkunft.