Jineoloji-Forschungszentrum in Şehba eröffnet
Im nordsyrischen Niemandsland Şehba ist ein Forschungszentrum für Jineolojî eröffnet worden.
Im nordsyrischen Niemandsland Şehba ist ein Forschungszentrum für Jineolojî eröffnet worden.
In Şehba ist am Samstag ein neues Forschungszentrum für Jineolojî (ku. „Wissenschaft der Frau”) eingeweiht worden. An der Eröffnungsfeier beteiligten sich Aktivistinnen des kantonalen Frauenrats, Vorstandsmitglieder des Frauendachverbands Kongreya Star für die Efrîn-Region, Vertreter*innen der PYD sowie zahlreiche Menschen aus der Bevölkerung. Im Rahmen der Zeremonie gab es ein reichhaltiges Kulturprogramm von Musikgruppen des Kunstzentrums Kevana Zêrîn. Gleichzeitig wurde der kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez gedacht, die heute vor acht Jahren von einem Auftragsmörder des türkischen Geheimdienstes mitten in Paris hingerichtet wurden.
Die kurdische Frauenfreiheitsbewegung hat auf der Grundlage des Paradigmas von Abdullah Öcalan, der das Patriarchat als gesellschaftlichen Hauptwiderspruch beschreibt, einen eigenständigen Ansatz von Gesellschaftsanalyse, die Jineolojî, entwickelt. Jenseits theoretischer Diskurse organisiert die kurdische Frauenfreiheitsbewegung aber auch die Verwirklichung ihrer Konzepte einer demokratischen, geschlechterbefreiten und ökologischen Gesellschaft. Die Jineolojî entstand aus dem Verständnis, dass Gesellschaftsveränderung Bildung und neue Wissensformen zur Grundlage braucht. Zur Praxis der Jineolojî gehört die Untersuchung und das Lernen aus den Erfahrungen mit bestehenden feministischen Theorien und von Frauenbewegungen von der Frühgeschichte bis in die Gegenwart.
Gästinnen der Eröffnungsfeier in Şehba
Auch in den Autonomiegebieten von Nord- und Ostsyrien wird die Gesellschaft mit den Augen der Frauen erforscht. In Rojava wurde mit der Revolution von 2012 eine Gesellschaft mit Frauen im Zentrum etabliert – in einer Region, die weltweit als patriarchal und rückständig galt. Diese neue Sozialwissenschaft aus Frauenperspektive steht für den Geist der Frauenrevolution. Nicht nur in den Forschungszentren, von denen inzwischen mehrere im Autonomiegebiet existieren, wird die Jineolojî gelehrt und weiterentwickelt. Auch an den Akademien für die gesellschaftliche Bildung, an einer Fakultät der 2016 gegründeten Universität Rojava, im Frauendorf Jinwar und vielen weiteren Orten Rojavas ermöglicht die Jineolojî eine neue Perspektive für gesellschaftliche Lösungen und Veränderungen, trotz des permanenten Kriegszustands und den fortgesetzten Bedrohungen.
Wandbild im neuen Jineolojî-Forschungszentrum