Die Stiftung der Freien Frau in Syrien und der Krieg

Mitarbeiterinnen der Frauenstiftung WJAS berichten von ihrem Leben und ihrer Arbeit in der aktuellen Kriegssituation in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien.

Die Stiftung der Freien Frau in Syrien (Weqfa Jina Azad a Sûrî, WJAS) hat sich in den vergangenen Monaten mit einem Nothilfeprogramm auf die militärischen Angriffe der türkischen Armee auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien vorbereitet. Das Europa-Komitee der Stiftung unterstützt das Projekt mit einem dringenden Spendenaufruf, um den Aufbau von Zivilschutzmaßnahmen im besonders bedrohten Grenzgebiet zur Türkei umzusetzen. Über Video-Calls und Messenger-Nachrichten besteht ein kontinuierlicher Austausch mit den Partnerinnen vor Ort. Ihre Berichte zeugen von beeindruckendem Widerstand der Bevölkerung, organisatorischen Hürden, kreativen Lösungsansätzen und großer Stärke der Frauen im Kampf gegen Zerstörung und Vertreibung.

Die Mitarbeiterinnen der Stiftung berichten, dass ihre Arbeiten wie die Ausbildungen und medizinischen Angebote, wo es möglich ist, fortgeführt werden. Den ganzen November über wurde zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ gearbeitet. In Versammlungen und Vorträgen wurde über Schutz und Prävention gesprochen. Frauen, die unter Gewalt leiden, wurden zu Hause aufgesucht, ihnen wurde ärztliche und psychologische Hilfe angeboten. Eine geplante Demonstration in Qamişlo zum 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, musste jedoch aufgrund der aktuellen Situation abgesagt werden.

Zivile Strukturen sind das Ziel

Es werden zunehmend zivile Strukturen wie Schulen, Krankenhäuser, Elektrizitätswerke, Ölfelder etc. angegriffen, so dass sich auch für die humanitäre Arbeit der Stiftung die Sicherheitslage verschärft. Die Gebäude der Stiftung werden jetzt wenig genutzt, weil sie mögliche Angriffsorte darstellen. Die Arbeiten werden nach Möglichkeit verlegt und dezentral durchgeführt. In den Orten, die unmittelbar attackiert werden, muss die Arbeit eingestellt werden.

Auf das Camp Hol wurden gezielte Luftschläge geführt, um den dort untergebrachten Angehörigen von inhaftierten Mitgliedern des Islamischen Staat (IS) die Flucht zu ermöglichen. Die Arbeit der Frauenstiftung und internationaler NGOs wurde aus Sicherheitsgründen eingestellt.

Kobanê ist eines der Hauptziele in diesem Krieg. Das Waisenhaus, das dort von der Frauenstiftung betrieben wird, muss geräumt werden. Für 25 Kinder muss eine neue sichere und kindgerecht ausgestattete Unterkunft gefunden werden.

Auch die mobile Klinik, durch die seit zwei Jahren in der Umgebung von Dêrik eine medizinische Basisversorgung für Frauen und Kinder angeboten wird, musste vorübergehend ihren Service einstellen, da die Dörfer und vor allem die Wege dorthin von Luftangriffen unmittelbar betroffen sind. Die mobile Klinik, die mit der Städtepartnerschaft Friedrichshain-Kreuzberg – Dêrik e.V. betrieben wird, wird zurzeit als Erste-Hilfe-Station genutzt.

Die Notwendigkeit des eingangs erwähnten Nothilfeprojekts hat sich mit aller Deutlichkeit angesichts der politischen Lage bestätigt und wird mit Dringlichkeit fortgeführt. Es finden Ausbildungen von Ersthelfer:innen für medizinische Sofortmaßnahmen statt. Diese können bei Angriffen verletzten Menschen erste Hilfe leisten, da es nicht genügend medizinisches Personal gibt. Zu den Lerninhalten gehören Kenntnisse über Brandwunden, Giftgasinhalation und andere Verletzungsmuster. Außerdem werden Keller als Schutzräume ausgebaut und mit Schlafplätzen, Lebensmitteln, Heizmaterial, Medikamenten und medizinischem Material ausgestattet.

Selbsthilfe und Schutzorte

Die Arbeit mit der Zivilbevölkerung beinhaltet zwei Aspekte. Erstens der ideologische Aspekt: Den Menschen, die sich entscheiden, ihre Häuser und ihr Land nicht zu verlassen, Beistand zu leisten und sie in der bedrohlichen Kriegssituation moralisch dabei zu unterstützen, nicht die Hoffnung zu verlieren, und ihnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, sondern der Widerstand gegen die türkische Invasion und die beabsichtigte Vertreibung nur gemeinsam geleistet werden kann.

Zweitens der praktische Aspekt: Durch Ausbildungsangebote die Menschen zu ermächtigen, selbst Soforthilfe leisten zu können und dadurch aktiv der Bedrohung zu begegnen, sowie die Schaffung von Zufluchtsorten und medizinischer Versorgung.

Eine zusätzliche Gefahr sind Angriffe auf das Jerkin-Gefängnis in Qamislo, in dem IS-Kämpfer inhaftiert sind, die bei diesen gezielten Angriffen entkommen können. Auch die Angriffe auf Camp Hol tragen dazu bei, dass durch entkommene Islamist:innen und die Aktivierung von Schläferzellen der IS zur erneuten und zusätzlichen Bedrohung für die Zivilbevölkerung wird.

Die Angriffe sind wie ein Regen, der nicht aufhört“

Eine Mitarbeiterin von WJAS aus Qamişlo beschreibt ihre Situation so: „Es ist zum Alltag und zur Selbstverständlichkeit geworden, täglich die Zielscheibe von tödlichen Angriffen des türkischen Regimes zu sein. Die unzähligen und durchgehenden Angriffe gleichen dem Regen. Doch anders als ein normaler Regen endet dieser Regen mit Tod und Trauer der Bevölkerung, darunter Frauen und Kinder. Die Bevölkerung in der Autonomieregion stellt sich gegen die gegenwärtigen Angriffe auf Nordostsyrien, Nordirak und Iran.“ Sie ruft zum sofortigen Ende der Angriffe auf und sagt: „Das Vorgehen des türkischen Regimes bricht mit internationalen Vereinbarungen, das kann nicht toleriert werden. Die Menschen möchten in Frieden leben. Ihr Recht auf Leben und Selbstbestimmung wird durch die brutalen Angriffe aufs äußerste verletzt.“

Die Proteste in Europa stellen eine moralische Unterstützung für die Bevölkerung in Nord- und Ostsyrien dar. Die Menschen wünschen sich eine Darstellung ihrer aktuellen Lebensrealität in den europäischen Medien. Vor allem wünschen sie sich politischen Druck auf die europäischen Regierungen und ein Einschreiten gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des türkischen Regimes.

Für die Arbeit der Frauenstiftung sind Spenden erwünscht und notwendig.

Spendenkonto:
Kurdistan Hilfe e.V. Hamburg
Stichwort WJAS
Hamburger Sparkasse
IBAN DE40 2005 0550 1049 2227 04
BIC HASPADEHHXX