Der Wandel von Frauen in Deir ez-Zor

In Deir ez-Zor in Ostsyrien gab es eine repressive Herrschaftsmentalität mit feudalen Traditionen und Wertmaßstäben. Der 8. März war den meisten Frauen gar nicht bekannt. Seit der Befreiung hat ein grundlegender Wandel eingesetzt.

Die Bevölkerung der ostsyrischen Region Deir ez-Zor hat jahrelang unter der Unterdrückung des syrischen Regimes und danach unter der Herrschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und anderer vom türkischen Staat unterstützter Gruppen gelebt. Vor allem Frauen haben darunter gelitten und stürzen sich jetzt in die neugewonnene Freiheit.

Fatma al-Mehel ist Sprecherin der Frauenarbeit in Deir ez-Zor und seit knapp drei Jahren in der Organisierung von Frauen in der Region aktiv. Sie erinnert an die Folter und Rechtsverletzungen einschließlich von Vergewaltigungen, denen Frauen unter dem IS und anderer protürkischer Gruppen ausgesetzt waren: „Früher war Frauen nicht erlaubt, sich auf diplomatischer, politischer und wirtschaftlicher Ebene zu betätigen. Sie waren im häuslichen Bereich eingesperrt. Auch unter dem syrischen Regime konnten Frauen höchstens in der Sozialbehörde arbeiten. Bei sozialen Aktivitäten gab es damals einen Frauenanteil von 13 Prozent. Die Arbeitskraft von Frauen wurde ausgebeutet.“

Nach der Befreiung durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) hat laut Fatma al-Mehel ein grundlegender Wandel eingesetzt: „Die zuvor im Haus eingesperrten Frauen haben führende Rollen im wirtschaftlichen, politischen, diplomatischen, sozialen und sogar militärischen Bereich der Gesellschaft übernommen. In Deir ez-Zor gab es eine repressive Herrschaftsmentalität mit feudalen Traditionen und Wertmaßstäben. Durch die Befreiung der Region haben Frauen in allen Bereichen des Lebens führende Positionen eingenommen. Dadurch hat auch eine Bewusstseinsveränderung stattgefunden.“

Die Besatzung durch den IS, die Al-Nusra-Front und die FSA machte den Schulbesuch und die Arbeitsaufnahme für Mädchen unmöglich, weil die Eltern Vergewaltigungen und andere Angriffe fürchteten, führt Fatma al-Mehel weiter aus: „Inzwischen haben Frauen sich auch gedanklich weiterentwickelt, wir sind stärker geworden und können in vielen gesellschaftlichen Bereichen arbeiten. Durch unsere Arbeit in der Bevölkerung sorgen wir dafür, dass die reaktionäre Denkweise überwunden wird. Beispielsweise setzen wir uns gegen Kinderehen und Polygamie ein und bringen den Frauen den Gedanken nahe, dass sie frei sein können.“

Der Kampf gegen das in der Region vorherrschende reaktionäre Denken hat mit sehr wenigen Frauen begonnen. „Nach der Befreiung waren wir drei Frauen, die sich organisiert und weitergebildet haben“, erzählt Fatma: „Danach haben wir angefangen, in der Bevölkerung und insbesondere mit Frauen zu arbeiten, um die Menschen von der männlichen Herrschaftsideologie des IS zu befreien. Damit Frauen eine führende Rolle in der Gesellschaft einnehmen können, setzen wir vor allem auf Bildung. Zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart besteht ein himmelweiter Unterschied. Frauen stellen eine große Kraft dar und beweisen sich mit ihrer Praxis und ihrer Haltung in allen unseren Institutionen. Die IS-Mentalität wird begraben. Wir unterstützen die Frauen psychologisch und materiell dabei.“

Laut Fatma al-Mihel ist es den QSD zu verdanken, dass die patriarchale Herrschaftslogik in Deir ez-Zor überwunden wird: „Vor der Befreiung wussten wir gar nichts über den internationalen Frauentag am 8. März. Inzwischen betrachten wir jeden Tag, den wir auf unserem befreiten Boden erleben, als einen Feiertag.“

Auch für sie persönlich hat sich viel verändert, sagt Fatma: „Früher hätte ich es nie gewagt, vor eine Kamera zu treten und zu sprechen. Ich hatte eine sehr schwache Persönlichkeit. Aufgrund der reaktionären Mentalität in meiner Familie und in der Gesellschaft war ich in vielerlei Hinsicht unterdrückt. Durch die Unterdrückung bleiben Frauen schwach. Nach der Befreiung sind Selbstverwaltungsstrukturen aufgebaut worden, in den Frauen eine führende Rolle einnehmen. Als ich mich der Frauenarbeit angeschlossen habe, bin ich stärker geworden und kann mich innerhalb der Bevölkerung bewegen. Ich kann jetzt frei und ohne Angst sprechen und ich verbreite den Gedanken der Freiheit unter Frauen.“