Internationaler Tag der politischen Gefangenen
Der 18. März ist international bekannt als der „Tag der politischen Gefangenen“. An diesem Tag soll an den Aufstand der Pariser Kommune im Jahr 1871 erinnert werden, aber auch an ihre Zerschlagung und die folgende Repression. Das in Berlin ansässige Kurdische Frauenbüro für Frieden (Cênî e.V.) erklärt anlässlich dieses Tages: „Der 18. März ist Tag der politischen Gefangenen. Heute denken wir an Aktivist:innen, Mitstreiter:innen, Genoss:innen, Freund:innen und insbesondere an Frauen, die weltweit aufgrund ihres Kampfes gegen Kapitalismus, Patriarchat, staatliche Gewalt und Krieg in Haft sitzen.
Gefangenschaft als Mittel gegen revolutionäre Kämpfe
Das Gefängnissystem, Repressionen und Kriminalisierung sind Werkzeuge des Staates, um revolutionäre Kämpfe und den Willen derer, die für eine bessere Welt kämpfen, zu brechen. Durch die Kriminalisierung von Befreiungskämpfen auf der ganzen Welt sollen Aktivist:innen eingeschüchtert und isoliert werden. Gefangenschaft, insbesondere in Verbindung mit der Verwehrung grundlegender Rechte oder Folter, ist in Kurdistan und in der gesamten Welt immer ein Mittel gewesen, um Angst und Unsicherheit zu schüren, Menschen von ihren Kämpfen abzubringen und sie von ihren Genoss:innen zu trennen. Doch wir sehen gleichzeitig, dass vor allem Frauen sich nicht so leicht von ihrem Kampf abbringen lassen und ihren Widerstand trotz allem fortsetzen. Wir senden an dieser Stelle unsere revolutionären Grüße an alle Antifas, Feminist:innen, Freiheitskämpfer:innen in den Gefängnissen in Deutschland, in Kurdistan, in Europa und weltweit. Wir erinnern besonders an Pakhshan Azizi und Varisheh Moradi, zwei kurdische Aktivistinnen, denen im Iran aktuell die Hinrichtung droht.
Möglicher Friedensprozess in der Türkei
Derzeit ist die Hoffnung auf einen möglichen Lösungs- und Demokratisierungsprozess in Kurdistan gestiegen – nach jahrelanger Totalisolation gab es zum ersten Mal ein Lebenszeichen von Abdullah Öcalan, dem Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei PKK, der seit 1999 in türkischer Haft sitzt. Sein Aufruf, der Ende Februar veröffentlicht wurde, war nicht nur ein Aufruf an die PKK, den bewaffneten Kampf zu beenden. Er appellierte auch an alle Teile der Gesellschaft, ihre Bemühungen für Frieden und Befreiung zu verstärken. In seinem Brief anlässlich des feministischen Kampftages 8. März betonte er zudem deutlich, dass der Weg dahin nur über die Befreiung von Frauen führt. Es ist bekannt, dass Frauen und queere Menschen weltweit an vorderster Front für Gerechtigkeit, Frieden und Selbstbestimmung kämpfen – und genau das macht sie besonders zur Zielscheibe von Repressionen. Der Staat kriminalisiert feministische und antifaschistische Kämpfe, Kämpfe für Frieden, Arbeitskämpfe und Proteste gegen Besatzung und Krieg. Das zeigt sich immer wieder an den Gerichtsurteilen, an der brutalen Polizeigewalt gegen linke Aktivist:innen, an den sich immer weiter entwickelnden Technologien, die vom Staat zur Überwachung und Einschüchterung genutzt werden.
Fortgesetzte Angriffe und Repression
Die Türkei setzt seine Angriffe und Repressionen trotz der jüngsten Entwicklungen ungehindert fort, durch Drohnenattacken, Bombardements, Angriffe auf Zivilist:innen und Festnahmen von Aktivist:innen. Und obwohl der Aufruf Öcalans international, auch von Deutschland, positiv aufgenommen wurde, gehen auch hier die Prozesse gegen Aktivist:innen auf Grundlage des Paragrafen 129b weiter. Wenn Deutschland und die EU einen Friedensprozess wirklich unterstützen wollen, wäre die Entkriminalisierung der PKK, die ihrerseits immer wieder Versuche für einen Friedensprozess unternommen hat, ein wichtiger Schritt. Oder die Urteile über die kurdischen politischen Gefangenen, die mittlerweile in europaweiter Zusammenarbeit ausgeliefert, inhaftiert und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden, zu überdenken. Die Vergangenheit hat leider immer wieder gezeigt, dass Deutschland die Narrative wie auch seine Politik gegenüber Kurd:innen von seinem Nato-Partner Türkei übernimmt.
„Wir müssen unseren Druck erhöhen“
Auch Appelle nach einer Freilassung oder zumindest Verbesserung der Haftbedingungen Öcalans bleiben derzeit aus – obwohl klar ist, dass er eine Schlüsselfigur für einen etwaigen Friedens- und Demokratisierungsprozesses ist und zudem für viele Kurd:innen ein Vertreter ihrer Sache. Mit der jahrzehntelangen Isolation Öcalans wurde nicht nur versucht, seinen Widerstand zu brechen, sondern auch die kurdische Bewegung allgemein in Verunsicherung und Orientierungslosigkeit zu treiben, was dem Staat nicht gelungen ist. Jetzt, wo die PKK einen Waffenstillstand verkündet hat, muss die Türkei handeln. Wir müssen unseren Druck erhöhen, damit politische Gefangene endlich freigelassen werden und die Bedingungen geschaffen werden, um Abdullah Öcalan die Leitung eines Prozesses zu ermöglichen.
Ohne ein Ende der Repressionen kann es keinen Demokratisierungs- und Friedensprozess geben. Wir müssen unseren Kampf als Feminist:innen und progressive Bewegungen in diesen Tagen besonders auf Kriminalisierung richten. Wir, die sich gegen Kriege, staatliche Gewalt, Ausbeutung, Besatzung und Klimakrise einsetzen, sind alle potentiell davon betroffen. Wir senden noch einmal unsere wärmsten Grüße an alle Betroffenen.
Jin, Jiyan, Azadî! Berxwedan jiyan e!“
Foto: Demonstration zum Tag der politischen Gefangenen 2012 in Berlin © Ramon Martinez