Cenî: Extralegale Hinrichtung von Aktivistinnen in Kobanê

Die extralegale Hinrichtung von drei Aktivistinnen der Frauenbewegung im nordsyrischen Kobanê durch die Türkei hätte ohne die Billigung der internationalen Mächte nicht stattfinden können, stellt das kurdische Frauenbüro Cenî fest.

Am Dienstagabend wurden drei Frauen durch einen gezielten Angriff einer türkischen Drohne auf ein Wohnhaus im Dorf Helîncê bei Kobanê hingerichtet. Bei den drei ermordeten Frauen handelt sich um die sechzigjährige Hausbesitzerin Amina Waysî sowie um Zehra Berkel und Hebûn Mele Xelîl vom Frauendachverband Kongreya Star.

Das in Düsseldorf ansässige „Kurdische Frauenbüro für Frieden – Cenî“ ruft zur Verteidigung von Rojava und ganz Kurdistan auf und erklärt dazu:

„Mit der extralegalen Hinrichtung der Aktivistinnen von Kongra Star wird deutlich, dass sich die neue Angriffswelle des faschistischen türkischen Staates vor allem gegen die Frauenbefreiung richtet. So wie die Angriffe des türkischen Staates nie zufällig stattfinden, wurde auch dieses Angriffsziel nicht zufällig gewählt. Kongra Star ist der Dachverband aller Frauenstrukturen, -initiativen, -organisationen, -räte und -kommunen in Rojava, die sich für den Aufbau einer geschlechterbefreienden, ökologischen, pluralistischen Gesellschaft einsetzen. Das faschistische AKP-MHP-Regime zielt insbesondere auf Frauen, die sich aus ihrem vermeintlichen Schicksal befreit haben und sich politisch und gesellschaftlich organisieren und sich selbst verteidigen. Erst kürzlich wurden in der Türkei Frauenrechtsaktivistinnen des Frauenvereins Rosa festgenommen. Ihnen wird ihr Engagement für Frauenrechte und gegen Gewalt an Frauen als Terrorismus zur Last gelegt. Auch die unzähligen Ko-Bürgermeister*innen wurden aufgrund ihres Festhaltens am Ko-Vorsitzenden-Prinzip festgenommen. Auch während des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges im Oktober 2019 in Nordsyrien wurden gezielt organisierte Frauen ermordet und ihre Leichen geschändet. Hevrîn Xelef, die Generalsekretärin der Zukunftspartei Syriens und Hoffnungsträgerin eines vielfältigen, demokratischen Syriens, wurde von islamistischen Banden auf bestialische Art und Weise ermordet.  

Zehra, Hebûn und Emine haben sich mit ihrem Leben für eine demokratische Lösung in Syrien eingesetzt. Sie haben erkannt, dass nur durch den Aufbau einer demokratischen gesellschaftlichen Kraft, in der Frauen eine grundlegende Rolle spielen, wieder Frieden und Gerechtigkeit einkehren kann. Wir gedenken ihrer mit tiefstem Respekt und werden sie als Kämpferinnen für die Freiheit aller Frauen und ein demokratisches, vielfältiges Syrien in Erinnerung behalten.

Dass es im Gegenteil den hegemonialen Mächten und der internationalen Staatengemeinschaft nicht um Frieden, Frauenrechte und Demokratie geht, zeigt sich einmal mehr durch diese extralegale Hinrichtung, die ohne Information der internationalen Koalition nicht hätte stattfinden können. Auch die Bombardierung eines unter UN-Schutz stehenden Flüchtlingscamps in der Nacht des 15. Juni, in dem mehr als 12.000 Flüchtlinge leben, blieb praktisch folgenlos. Ebenso die Bomben auf Shengal, wohin erst zwei Tage vor den Bombardierungen 100 Familien zurückgekehrt waren, die vor dem Genozid und Feminizid des IS geflohen waren.

Es scheint so, als hätte die Türkei von der internationalen Staatengemeinschaft grünes Licht für jegliche Menschenrechts- und Kriegsverbrechen bekommen. Doch anstatt diese Verbrechen anzuprangern und sich für die Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Verträgen einzusetzen, scheint die demokratische Öffentlichkeit entweder in einen Corona-Schlaf verfallen zu sein oder ist der schleichenden Zersetzung durch neoliberale Umgestaltung zum Opfer gefallen. Auch die deutsche Medienlandschaft macht sich nicht einmal mehr die Mühe, selbstständig zu recherchieren und kopiert mittlerweile nur noch türkische Kriegspropaganda der gleichgeschalteten Medien. Festzuhalten ist jedenfalls, dass in den letzten Jahren eine schleichende Entpolitisierung und Entdemokratisierung der Gesellschaften stattgefunden hat. Dies stellt eine enorme Gefahr für die Menschheit dar, denn ohne eine politische Gesellschaft haben autoritäre Regime es leicht, ihre Vernichtungspolitik immer weiter auszuweiten.

Wir fordern deshalb alle politischen Kräfte, die sich auf Werte wie Demokratie und Frauenrechte beziehen, dazu auf, auch im eigenen Interesse Stellung zu beziehen und Menschenrechtsverbrechen wie diesen endlich einen Riegel vorzuschieben. Außerdem rufen wir alle Frauen, Feminist*innen und demokratischen Kräfte dazu auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und dementsprechend ihre Organisierung zu stärken und überall Selbstverteidigungsstrukturen aufzubauen. Stoppt den Feminizid des türkischen Staates! Frauen verteidigen Rojava und Kurdistan!“