Das Kurdische Frauenbüro für Frieden - CENÎ e.V. trauert um die jüdische Antifaschistin, Musikerin und Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, die heute im Alter von 96 Jahren in Hamburg verstorben ist. „Mit Esther Bejarano ist eine ungemein wichtige, große Kämpferin von uns gegangen. Bis an ihr Lebensende kämpfte sie gegen jeden Faschismus und jede Ungerechtigkeit”, schreibt der Düsseldorfer Verein in einem Nachruf:
Esther Bejarano (geb. Loewy) wurde in Saarlouis im Saarland geboren. Im Alter von 17 Jahren wurde Esther Bejarano ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht und wenig später ins KZ Ravensbrück, wo ihr 1945 schließlich die Flucht gelang. Nach Kriegsende emigrierte Bejarano nach Palästina/Israel und kehrte 1960 nach Deutschland zurück. Mit ihrer Familie lies sie sich in Hamburg nieder, wo sie seither gelebt hatte.
Bejarano, die bereits im KZ als Akkordeonspielerin im Mädchenorchester verpflichtet wurde, setzte ihre musikalische Tätigkeit fort und wurde zur „Künstlerin für den Frieden“. Unter anderem auch gemeinsam mit ihren Kindern Edna und Jorem machte sie jahrzehntelang Musik und sang jüdische, antifaschistische sowie kommunistische Lieder. Mitunter arbeitete sie in den letzten Jahren mit der Rap-Gruppe „Microphone Mafia“ zusammen.
Esther Bejarano mit zwei kurdischen Aktivistinnen im Juli 2017 bei einer Demonstration gegen G-20 in Hamburg
Aber nicht nur mit ihrer Musik setzte sie sich gegen das Vergessen und für Frieden ein. Bejarano schloss sich der „Vereinigung der Verfolgten Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) an, die 1947 gegründet wurde und bis heute gegen Rassismus, Antisemitismus und Militarismus kämpft. 1986 gründete Bejarano außerdem das Auschwitz-Komitee, welches Bildungsreisen in Konzentrationslager und Zeitzeug*innengespräche für Schüler*innen organisiert.
Bis an ihr Lebensende organisierte sie sich im Kampf gegen Neonazis, Rassismus und staatliche Gewalt. Ihr waren diese Zusammenhänge und Kontinuitäten nur allzu sehr bewusst. Nicht umsonst sagte sie einst „Wer Nazis bekämpfen will, kann sich auf den Staat überhaupt nicht verlassen!“, und machte immer wieder darauf aufmerksam, dass in Deutschland nie eine wirkliche Entnazifizierung stattgefunden hat und sich eine „rote Linie“ beobachten lässt, die sich seit 1945 durch die Gesellschaft zieht. Die AfD im Bundestag, NPD, Pegida, Neonazis, Gewalt gegen Flüchtende – das alles seien Ergebnisse davon, betonte sie letztes Jahr im Gespräch mit „ze.tt“.
Wie kaum eine andere verkörperte Esther Bejarano den unermüdlichen antifaschistischen Widerstand, den wir in diesen Zeiten mehr als je zuvor brauchen. Extrem rechte Netzwerke in der Polizei, Anschläge von Neonazis und die sich Tag für Tag häufenden Fälle rassistischer und antisemitischer Gewalt machen es unmöglich, dass Menschen in Frieden und Freiheit leben können. Das kapitalistische, rassistische und patriarchale System versucht durch Repression, Kriminalisierung und Einschüchterung immer wieder, antifaschistischen Widerstand zu brechen. Dagegen braucht es große Entschlossenheit, Mut und Willensstärke wie Esther Bejarano sie hatte, wie Esther Bejarano sie bis zu ihrem letzten Atemzug verkörpert hat.
Esther Bejarano bleibt unvergessen. Ihr Widerstand, ihr Erbe und ihr Mut bleiben unvergessen. Wir wünschen allen Angehörigen viel Kraft und sprechen ihnen unser herzlichstes Beileid aus. Rest in Power, Esther Bejarano!