Die von Angehörigen kranker politischer Gefangener aufgrund der zunehmenden Folter und Misshandlung in türkischen Gefängnissen initiierte „Gerechtigkeitswache“ dauert seit mittlerweile drei Wochen in den Räumlichkeiten der Anwaltskammer von Amed (tr. Diyarbakır) an. Die Initiative, an der sich unter anderem der Journalist Hakki Boltan für seinen Sohn Civan Boltan (29) beteiligt, erfährt breite Unterstützung von der kurdischen und demokratischen Öffentlichkeit und wird von zivilgesellschaftlichen Organisationen, politischen Parteien und Einzelpersonen begleitet.
Auch innerhalb der Gefängnismauern stößt die Gerechtigkeitswache auf Solidarität. So sagt die frühere Ko-Vorsitzende der HDP, Figen Yüksekdağ, den Beteiligten der Aktion in einem Brief aus dem Hochsicherheitsgefängnis Kandıra ihren Beistand und volle Solidarität zu und bedankt sich für das Engagement der Gefangenen-Angehörigen. Sie seien die „Stimme der Gefangenen“ nach draußen, die Mahnwache in Amed stelle eine Quelle der Kraft für die Fortsetzung des Widerstands in den Kerkern dar.
„Solange wir innerhalb und ihr außerhalb der Gefängnismauern unsere Stimmen ergeben und kämpfen, werden diese Kerker früher oder später einstürzen. Daran glauben wir von ganzem Herzen“, schreibt Yüksekdağ. An die Öffentlichkeit appelliert die Politikerin, ebenfalls zu handeln: „Lasst uns den demokratischen Kampf für die Freilassung kranker Gefangener erheben. Vereinen wir uns um die großen Werte der Menschheit.“
Wer ist Figen Yüksekdağ?
Die 1971 in Adana geborene Figen Yüksekdağ ist Mitgründerin der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (Ezilenlerin Sosyalist Partisi, ESP) und war bis September 2014 deren Vorsitzende. Nach der Niederlegung ihres Amtes trat sie zur HDP über. Noch im gleichen Jahr schloss sich die ESP der als Dachpartei mehrerer Kleinparteien fungierenden HDP an. Auf dem zweiten HDP-Kongress wurde Figen Yüksekdağ am 22. Juni 2014 zur Ko-Vorsitzenden gewählt.
Zeitgleich mit Selahattin Demirtaş und zahlreichen weiteren HDP-Abgeordneten wurde Figen Yüksekdağ am 4. November 2016 auf Betreiben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verhaftet. Seitdem befindet sie sich im Hochsicherheitsgefängnis Kandıra in der westtürkischen Provinz Kocaeli unter Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft. Sie ist eine von insgesamt 108 Angeklagten, denen im sogenannten Kobanê-Verfahren wegen staatsfeindlicher Umtriebe, Mord und versuchtem Mord in dutzenden Fällen im Zusammenhang mit den Kobanê-Protesten im Oktober 2014 mehrmals erschwerte lebenslange Haft droht.